A Zeitschrift für Neurologie des Kindes- und Jugendalters und ihre Grenzgebiete 13. Jg. Evozierte Potentiale in der Neuropädiatrie - PDF Kostenfreier Download (2024)

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1 A Zeitschrift für Neurologie des Kindes- und Jugendalters und ihre Grenzgebiete 13. Jg. Official Journal of the Academy of Education of the Society for Neuropediatrics (Gesellschaft für Neuropädiatrie) Herausgeber: Ulrike Schara, Essen; Thomas Lücke, Bochum Originalien / Übersichten Evozierte Potentiale in der Neuropädiatrie Blickdiagnose im EEG Sehstörungen (chronisch-entzündlich) Synästhesie im Kindesalter Kasuistiken Das Vici-Syndrom Mitteilungen Personalia Verbände Industrie Kongresse Vorschau NLM: Wissenschaftlicher Beirat: M. Blankenburg, Stuttgart H. Bode, Ulm E. Boltshauser, Zürich C. G. Bönnemann, Philadelphia U. Brandl, Jena H.-J. Christen, Hannover F. Ebinger, Paderborn S. Friedrichsdorf, Minneapolis/St. Paul Jutta Gärtner, Göttingen F. Heinen, München G. F. Hoffmann, Heidelberg C. Hübner, Berlin O. Ipsiroglu, Vancouver Angela M. Kaindl, Berlin R. Korinthenberg, Freiburg G. Kurlemann, Münster E. Mayatepek, Düsseldorf P. Meinecke, Hamburg B. Neubauer, Gießen C. Panteliadis, Thessaloniki Barbara Plecko, Zürich B. Schmitt, Zürich Maja Steinlin, Bern Sylvia Stöckler-Ipsiroglu, Vancouver V. Straub, Newcastle upon Tyne Ute Thyen, Lübeck Ingrid Tuxhorn, Cleveland S. Unkelbach, Volkach/Main T. Voit, Paris B. Wilken, Kassel B. Zernikow, Datteln Redaktion: U. Schara, Essen T. Lücke, Bochum

2 NEU: Zulassungserweiterung bei TSC SEGA Keine Alters - beschränkung mehr Empfohlene Startdosis von 4,5 mg/m 2 VOTUBIA Sus pensionstabletten VOTUBIA Hemmt mtor, schützt Ihre TSC-Patienten Der einzige mtor-inhibitor zugelassen bei TSC SEGA und TSC AML* Zielgerichtet gegen die Ursache von TSC 1 Hohe, schnelle, anhaltende Wirksamkeit 1 Überzeugendes Sicherheitsprofil 1 * TSC SEGA: Patienten mit subependymalem Riesenzellastrozytom aufgrund einer tuberösen Sklerose, die eine therapeutische Maßnahme benötigen, für die aber ein chirurgischer Eingriff nicht angemessen ist. TSC AML: Erwachsene Patienten mit renalem Angiomyolipom assoziiert mit einer tuberösen Sklerose, bei denen ein Komplikationsrisiko vorliegt (aufgrund von Faktoren wie Tumorgröße, vorhandenes Aneurysma oder multiplen bzw. beidseitigen Tumoren), die jedoch nicht gleich operiert werden müssen. VOTUBIA Tabletten zum Herstellen einer Suspension zum Einnehmen (= Suspensionstabletten) nur zugelassen bei TSC SEGA. 1 Fachinformation VOTUBIA Tabletten, Stand: Juli 2014; Fachinformation VOTUBIA Tabletten zum Herstellen einer Suspension zum Einnehmen, Stand: Juli 2014 Votubia 2,5 mg/ -5 mg/ -10 mg Tabletten, Votubia 2 mg/ -3 mg/ -5 mg Tabletten zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen Diese Arzneimittel unterliegen einer zusätzlichen Überwachung. Wirkstoff: Everolimus. Zus.: - Tabletten: Jede Tablette enth.: Arzneilich wirksamer Bestandt.: 2,5 mg/5 mg/10 mg Everolimus. Sonst. Bestandt.: Butylhydroxytoluol (E 321), Magnesiumstearat, Lactose-Monohydrat, Hypromellose, Crospovidon (Typ A), Lactose. - Tabletten zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen: Jede Tablette enth.: Arzneilich wirksamer Bestandt.: 2 mg/3 mg/5 mg Everolimus. Sonst. Bestandt.: Butylhydroxytoluol (E 321), Magnesiumstearat, Lactose-Monohydrat, Hypromellose, Crospovidon (Typ A), Mannitol, mikrokristalline Cellulose, hochdisperses Siliciumdioxid. Anw.: - Tabletten: Erwachsene Patienten mit renalem Angiomyolipom assoziiert mit einer tuberösen Sklerose (TSC), bei denen ein Risiko für Komplikationen vorliegt (aufgrund von Faktoren wie Tumorgröße oder vorhandenem Aneurysma oder multiplen bzw. beidseitigen Tumoren), die jedoch nicht unmittelbar operiert werden müssen. Patienten mit subependymalem Riesenzellastrozytom (SEGA) aufgrund einer tuberösen Sklerose (TSC), die eine therapeutische Maßnahme benötigen, für die aber ein chirurgischer Eingriff nicht angemessen ist. - Tabletten zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen: Patienten mit subependymalem Riesenzellastrozytom (SEGA) aufgrund einer tuberösen Sklerose (TSC), die eine therapeutische Maßnahme benötigen, für die aber ein chirurgischer Eingriff nicht angemessen ist. Gegenanz.: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff, andere Rapamycin-Derivate oder einen der sonstigen Bestandt. Nebenw.: Sehr häufig: Infektionen der oberen Atemwege, Hypercholesterinämie, Stomatitis, Mundulzera, Amenorrhoe, unregelmäßige Menstruation. Häufig: Sinusitis, Otitis media, Nasopharyngitis, Harnwegsinfektionen, Pharyngitis, Celullitis, Pneumonie, virale Gastroenteritis, Streptokokken-Pharyngitis, aphthöse Stomatitis, Anämie, Neutropenie, Leukopenie, Thrombozytopenie, Lymphopenie, verminderter Appetit, Hyperlipidämie, Hypophosphatämie, Hypertriglyzeridämie, Kopfschmerzen, Dysgeusie, Hypertonie, Husten, Epistaxis, Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, abdominale Schmerzen, Zahnschmerzen, Blähungen, Obstipation, Gastritis, Gingivitis, Akne, Hautausschlag, akneförmige Dermatitis, Hauttrockenheit, Pruritus, Alopezie, Proteinurie, verzögerte Menstruation, Menorrhagie, vagin*lblutungen, Ovarialzysten, Müdigkeit, Pyrexie, Reizbarkeit, Laktatdehydrogenase im Blut erhöht, Anstieg des luteinisierenden Hormons im Blut, Gewichtsverlust. Gelegentl.: Herpes zoster, virale Bronchitis, Hypersensibilität, Schlaflosigkeit, Aggression, Pneumonitis, Zahnfleischschmerzen, Glossitis, Lippenulzera, Angioödem, Erythem, erythematöser Hautausschlag, makulärer Hautausschlag, makulopapulöser Hautausschlag, generalisierter Hautausschlag, Rhabdomyolyse, Anstieg des follikelstimulierenden Hormons im Blut. Weitere Nebenwirkungen unter Everolimus: Hepatitis-B-Reaktivierung (auch mit tödl. Ausgang), Nierenversagen (einschl. letalem Ausgang), Erhöhung des Serumkreatinins, Blutungs ereignisse, febrile Neutropenie, Herzinsuffizienz, Dyslipidämie, Lungenembolie, tiefe Venenthrombose, Wundheilungsstörungen, Hyperglykämie. Warnhinw.: Enthält Lactose. Verschreibungspflichtig. Weitere Angaben: siehe Fachinformation. Stand: Juli 2014 (MS 09/14.11). Novartis Pharma GmbH, Roonstr. 25, Nürnberg. Tel.: (09 11) 273-0, Fax: (09 11) Everolimus SUSPENSIONSTABLETTEN

3 Zeitschrift für Neurologie des Kindes- und Jugendalters und ihre Grenzgebiete Offizielles Organ der Fortbildungsakademie der Gesellschaft für Neuropädiatrie e. V. Titelbild: EP-Montage (O. Maier et al., 2014) Begründet von Prof. Dr. Fuat Aksu, Datteln (Herausgeber ) Inhalt Contents Originalien/Übersichten Original/Review articles Evozierte Potentiale in der Pädiatrie Methodik und klinische Anwendung Evoked potentials in pediatrics - methodology and clinical application O. Maier, S. Novak, J. Peterli, J. Lütschg Das EEG im Kindesalter kann mehr als Epilepsie Childhood EEG patterns aid diagnosis of disorders other than epilepsy and epilepsy syndroms G. Kurlemann, B. Fiedler Seltene Differentialdiagnosen bei Visusminderung im Kindes- und Jugendalter mit Schwerpunkt chronisch entzündlicher Erkrankungen Rare differential diagnosis in visual impairment in childhood and adolescence focus on chronic inflammatory diseases Ch. Thiels, I. Kleiter, C. Köhler et al Das A ist rot: Von vermischten Sinnen. Eine kleine Übersicht zur Synästhesie The A is Red: Of Mixed Senses. A Short Review on Synaesthesia M. Zedler Kasuistiken Case reports Vici-Syndrom bei monochorialen Zwillingsfrühgeborenen (OMIM ) Vici syndrome in monochorionic premature twins (OMIM ) A. Stein, U. Felderhoff-Müser, H. Jungbluth, U. Schara Mitteilungen Communications Personalia Personalia Verbände Societies Industrie Industry Kongresse Congress announcements Vorschau Preview Heft 4/2014 Impressum Herausgeber: U. Schara, Essen; T. Lücke, Bochum Wissenschaftlicher Beirat: M. Blankenburg, Stuttgart H. Bode, Ulm E. Boltshauser, Zürich C. G. Bönnemann, Philadelphia U. Brandl, Jena H.-J. Christen, Hannover F. Ebinger, Paderborn S. Friedrichsdorf, Minneapolis/St. Paul Jutta Gärtner, Göttingen F. Heinen, München G. F. Hoffmann, Heidelberg C. Hübner, Berlin O. Ipsiroglu, Vancouver Angela M. Kaindl, Berlin R. Korinthenberg, Freiburg G. Kurlemann, Münster E. Mayatepek, Düsseldorf P. Meinecke, Hamburg B. Neubauer, Gießen C. Panteliadis, Thessaloniki Barbara Plecko, Graz B. Schmitt, Zürich Maja Steinlin, Bern Sylvia Stöckler-Ipsiroglu, Vancouver V. Straub, Newcastle upon Tyne Ute Thyen, Lübeck Ingrid Tuxhorn, Cleveland S. Unkelbach, Volkach/ Main T. Voit, Paris B. Wilken, Kassel B. Zernikow, Datteln Layout: Atelier Schmidt-Römhild Anschrift der Herausgeber und der Redaktion: Prof. Dr. med. Ulrike Schara, Neuropädiatrie, Universitätsklinikum Essen, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstraße 55, Essen, Tel.: 0201/ / -2176, ulrike.schara@ uk-essen.de; Prof. Dr. med. Thomas Lücke, St. Josef-Hospital, Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum, Alexandrinenstraße 5, Bochum, Tel.: 0234/ /7, luecke.thomas@ruhr-uni-bochum.de Anschrift zur Einreichung der Manuskripte: Verlag Schmidt-Römhild, Redaktion Neuropädiatrie, Christiane Daub- Gaskow, Kronprinzenstr. 13, Essen, Tel.: 0201/ , neuropaediatrie@beleke.de Anschrift von Verlag und Anzeigenverwaltung: Max Schmidt-Römhild KG, Hausadresse: Mengstraße 16, Lübeck, Großkundenadresse: Lübeck, Telefon: 0451/ Fax 0451/ , anzeigen@schmidt-roemhild.com Erscheinungsweise: 4x jährlich Januar, April, Juli, Oktober Bezugsmöglichkeiten: Einzelheft 12, zzgl. Versandkosten; Jahresabonnement 46, zzgl. Versandkosten ( 3, Inland, 6,50 Ausland) Anzeigenpreisliste: Nr. 3 vom 1. Dezember 2001 Namentlich gekennzeichnete Beiträge brauchen sich nicht unbedingt mit der Meinung des Herausgebers und der Redaktion zu decken. Für unverlangt eingesandte Beiträge und Fotos lehnt der Verlag die Verantwortung ab Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. ISSN Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

4 Originalien/Übersichten Evozierte Potentiale in der Pädiatrie- Methodik und klinische Anwendung MAIER, O.¹, NOVAK, S.¹, PETERLI J.¹, LÜTSCHG, J.² ¹ Zentrum für Kinderneurologie, Entwicklung und Rehabilitation (KER-Zentrum) Ostschweizer Kinderspital St. Gallen ² Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) Zusammenfassung Evozierte Potentiale sind in der Pädiatrie eine wichtige neurophysiologische Untersuchungsmethode. Am häufigsten eingesetzt werden Akustisch Evozierte Potentiale (AEP), Visuell Evozierte Potentiale (VEP) und Somatosensibel Evozierte Potentiale (SEP). AEPs sind eine sinnvolle Methode zur Beurteilung des Gehörs im Rahmen des Hörscreenings sowie zur Beurteilung der Hirnstammfunktion. VEPs werden durchgeführt zur Beurteilung visueller Funktionen und zur Diagnostik bei demyelinisierenden Erkrankungen. SEPs sind hilfreich in der Beurteilung der Funktion peripherer Nerven und somatosensibler Bahnen und haben einen Stellenwert in der Prognoseabschätzung bei Koma und Asphyxie. Motorisch Evozierte Potentiale (MEP) sind in der Pädiatrie vor allem für wissenschaftliche Fragestellungen relevant. Der Artikel beschreibt die Methode von Evozierten Potentialen und Besonderheiten in der Anwendung im Kindesalter. Das Indikationsspektrum unterscheidet sich von dem in der Erwachsenenneurologie, Reifungsvorgänge und altersabhängige Normwerte sind zu beachten. Schlüsselwörter Evozierte Potentiale, Akustisch Evozierte Potentiale, AEP, BERA, Visuell Evozierte Potentiale, VEP, Somatosensibel Evozierte Potentiale, SEP, Motorisch Evozierte Potentiale, MEP, Methodik, Klinik, Kinder Evoked potentials in pediatricsmethodology and clinical application Abstract Evoked potentials are an important neurophysiological method in pediatrics. Most commonly used are brainstem auditory evoked potentials (BAEP), visual evoked potentials (VEP) and somatosensory evoked potentials (SEP). BAEPs are useful in screening for hearing disorders and for evaluating brain stem function. VEPs are performed to evaluate visual functioning and for diagnosis of demyelinating diseases. SEPs allow evaluation of the functional integrity of the somatosensory system from the peripheral nerve to the cerebral cortex and can be a useful additional prognostic tool in determining coma and asphyxia outcome. In pediatrics, motor evoked potentials (MEP) are mainly used in scientific studies. The article describes the methodology of evoked potentials and its application in childhood. The spectrum of indication differs from that in adult neurology, maturation processes and age-related, normative values have to be considered. Keywords Evoked potentials, brainstem auditory evoked potentials, BAEP, BERA, visual evoked potentials, VEP, somatosensory evoked potentials, SEP, methodology, clinical application, children Bibliography Neuropaediatrie 2014; 13: , Schmidt-Roemhild Verlag, Luebeck, Germany: ISSN ; NLM ID ; OCoLc Einleitung Mittels evozierter Potentiale können Sinnesfunktionen wie Hören, Sehen oder Fühlen objektiviert werden. Eingesetzt werden hierfür Akustisch Evozierte Potentiale (AEP), Visuell Evozierte Potentiale (VEP) und Somatosensorisch Evozierte Potentiale (SEP). Störungen der zentralen motorischen Bahnen lassen sich mittels Motorisch Evozierter Potentiale (MEP) nachweisen. Evozierte Potentiale sind hilfreich bei verschiedenen klinisch-neurologischen Fragestellungen, müssen allerdings immer im gesamten klinischen Kontext interpretiert werden. Grundlagen der Evozierten Potentiale Evozierte Potentiale sind elektrische Aktivitäten in neuronalen Strukturen als Antworten auf einen definierten externen Reiz (10). Im Kindesalter in der klinischen Praxis häufig eingesetzte Evozierte Potentiale sind Akustisch Evozierte Potentiale (AEP), Visuell Evozierte Potentiale (VEP) und Somatosensibel Evozierte Potentiale (SEP). Motorisch Evozierte Potentiale oder auch Magnetisch Evozierte Motorische Potentiale genannt (MEP) werden dagegen in der klinischen Praxis in der Pädiatrie eher selten eingesetzt, leisten aber einen Beitrag im Verständnis der Pathophysiologie motorischer Bahnen wie z. B. bei Kindern mit einer Zerebralparese. Für die Auslösung von evozierten Potentialen ist ein spezifischer Stimulus erforderlich. Akustisch evozierte Potentiale werden über akustische Stimuli ausgelöst, visuell evozierte Potentiale über visuelle Stimuli. Die Stimulation peripherer Nerven löst somatosensibel evozierte Potentiale aus. Durch transkranielle Magnetstimulation erfolgt eine Stimulation kortikaler motorischer Areale. Die Ableitung erfolgt mit Elektroden, die an Differenzverstärker geschaltet werden. Die nachgeschaltete Signalverarbeitung erfolgt computergestützt. Mittels eines Analog-Digital-Konverters erfolgt eine Abb. 1: AEP-Untersuchung Neugeborenes: über einen Kopfhörer erfolgt bei schlafendem Kind eine Stimulation mit Klickreizen 112 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

5 Originalien/Übersichten Umwandlung des verstärkten Signals in digitale Zahlenwerte. Mit einem Mittelwertrechner (Averager) wird die Amplitude der nicht reizkorrelierten Hintergrundaktivität reduziert und so das mit einer konstanten Latenzzeit nach dem Reiz auftretende evozierte Potential sichtbar gemacht. Die Darstellung eines evozierten Potentials erfolgt in einem Zeit-Amplituden-Diagramm auf dem Computer (4). Akustisch Evozierte Potentiale (AEP) Akustisch evozierte Potentiale werden generiert nach akustischer Stimulation des Hörorgans. Die akustische Erregungsleitung erfolgt über den Gehörgang, das Innenohr, die Cochlea, den Nervus cochlearis und den Hirnstamm zur primären Hörrinde. Für die klinische Neurologie relevant sind die sogenannten Frühen Akustisch Evozierten Potentiale (FAEP). Dies sind in der Entfernung durch Elektroden an der Kopfhaut gemessene Potentiale (sogenannte far field Potentiale) des N. cochlearis und der zentralen akustischen Bahn im Hirnstamm mit einer Latenz von maximal 10 ms. Synonyme Begriffe für FAEP sind: BAEP=brainstem auditory evoked potentials, BERA=brainstem electric response audiometry. Durch akustische Stimuli werden auch Potentiale mit späterer Latenz generiert wie die MAEP (Mittlere Akustisch Evozierte Potentiale), SAEP (Späte Akustisch Evozierte Potentiale) und das ereigniskorrelierte Potential P 300. Diese späten kortikalen Potentiale haben im klinischen Alltag in der Kinderneurologie wenig Bedeutung und werden hier nicht näher besprochen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Frühen Akustisch Evozierten Potentiale (FAEP). Die Reizung erfolgt mit einem über einen Kopfhörer gegebenen Klickreiz. Dieser wird durch einen auf den Kopfhörer abgegebenen kurzen elektrischen Impuls von 100 μs Chloralhydrat (Saft, Rectiole) Melatonin (Saft) Diazepam (Rectiole) Tab. 1: Sedierung für die AEP-Untersuchung im Säuglings-und Kleinkindalter Cave: Sättigungsüberwachung bei Chloralhydrat und Diazepam Hörstörungen bei Kindern mit Risikofaktoren (Asphyxie, Hirnmissbildung, Frühgeburtlichkeit, Syndrome etc.) Hörscreening: Kontrolle nach pathologischem Hörscreening Hyperbilirubinämie (OAE normal bei path. AEP) ZNS Malformationen (z. B. Arnold-Chiari-Malformation, Hydrocephalus) Koma und Hirntoddiagnostik Hirnstammtumore Neurodegenerative Erkrankungen Myelinäre Störungen (z. B. Leukodystrophien, M. Pelizaeus Merzbacher) Hypoxisch-ischämische Encephalopathie Schädel-Hirntrauma Tab. 2: AEP im Kindesalter: wichtige klinische Indikationen mg/kg/einzeldosis 3 mg absolut (bis 6 mg) mg Einzeldosis Abb. 2: Normales AEP eines 6 Monate alten Säuglings nach Stimulation mit Klickreizen von 60 db und 30 db beidseits. Für die Auswertung wichtig sind die Wellen I, III und V und die Bestimmung der Latenzen, Interpeaklatenzen und Amplituden Abb. 3 Klinisches Beispiel: Serielle AEPs bei einer 17-jährigen Patientin mit posthypoxischer Encephalopathie. Verlust der zentralen Potentiale im Verlauf weniger Tage. Patientin verstorben. Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

6 Originalien/Übersichten Reizart Reizfrequenz Reizstärke Verstärkung 10 µv Filter Analysezeit Mittelungsschritte/ Reproduzierbarkeit Impedanz Montage Auswertung Alternierend Druck/Sog Ungerade Zahl zwischen Hz (10,3 Hz) 60 db, 30 db und 90 db (alternativ 70 db über Hörschwelle), Gegenohr vertäubt mit 30 db unter Reizstärke Hz 15 ms (-2.000) x 2, Reproduzierbarkeit 0,1 ms Welle I, III, V; +-20% Amplituden < 5 kohm (besser < 3 kohm) Tab. 3: Standard-Parameter AEP in der Pädiatrie Cz-ipsilaterales Mastoid Erde: kontralaterales Mastoid Wellen-Latenz: I, III, V; Interpeaklatenzen; (Amplitudenquotient V/I) Abb. 4 Klinisches Beispiel: Neugeborenes mit schwerer sensorineuraler Hörstörung beidseits. Ausfall Welle II-V (Markierung für Welle V gesetzt, Welle V jedoch nicht sicher nachweisbar) ausgelöst. Man unterscheidet Druckreize (Kopfhörermembran wird zuerst in Richtung Ohr ausgelenkt) und Sogreize (Auslenkung vom Ohr weg). Häufig werden auch beide Richtungen abwechselnd ausgeführt (alternierender Reiz). Die Reizfrequenz liegt zwischen Hz, die Reizstärke wird in Dezibel angegeben. Das nicht stimulierte Ohr wird vertäubt mit weissem Rauschen, damit die Reizweiterleitung zum nicht stimulierten Ohr über den Schädelknochen verhindert wird. Abgeleitet wird mit einem oder zwei Kanälen. Die Platzierung der Elektroden erfolgt nach dem System. Die aktive Elektrode wird am Mastoid angebracht, die Referenzelektrode bei Cz. Die kontralaterale Mastoidelektrode kann bei Einkanalableitungen als Erdelektrode verwendet werden. Aufgezeichnet werden Potentiale des N. cochlearis und der zentralen akustischen Bahn im Hirnstamm, die als Welle I-V bezeichnet werden. Die Untersuchung der AEP sollte bei gut entspanntem Patienten durchgeführt werden (Abb. 1). Im Kindesalter ist häufig eine leichte Sedierung erforderlich, z. B. mit Chloralhydrat mg/kg als Rectiole oder als Saft. Auch die Gabe von Melatonin zur Schlafinduktion hat sich im klinischen Alltag bewährt. (Tab.1). Bei guter Vorbereitung der Kinder ist auch die Untersuchung im Spontanschlaf gut möglich. Dies bedarf jedoch vor der Untersuchung einer ausführlichen Aufklärung der Eltern. Ein kurzer, altersentsprechender Schlafentzug kann hilfreich sein. Die Kinder sollten beispielsweise nicht auf dem Weg ins Krankenhaus schlafen, sondern wach gehalten werden. Am Kinderspital St. Gallen beginnen wir bei Kindern im Säuglingsalter und bei der Fragestellung nach Hörstörung mit einer Stimulation mit 60 db, zusätzlich erfolgt noch eine Stimulation mit 30 db, jeweils für beide Ohren getrennt. Bei speziellen Fragestellungen kann auch die Hörschwelle bestimmt werden. Die Kurven werden zweimal reproduziert mit jeweils Mittelungen. Bei neurologischen Fragestellungen oder bei Patienten auf der Intensivstation wird überschwellig stimuliert mit 90 db. Abb. 6: VEP-Untersuchung bei einem Kleinkind, Stimulation des rechten Auges mit LED-Brille Abb. 5: VEP-Untersuchung bei Kind, Stimulation mit Schachbrett-Monitor (Schachbrett Kontrastumkehr) 114 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

7 Originalien/Übersichten Jedes Labor sollte eigene Standards der Untersuchung festlegen, abhängig von der klinischen Fragestellung. Ausgewertet werden die Latenzen und Amplituden der Wellen I, II, III, IV und V, sowie die Amplitudenratio V/I, wobei altersabhängige Normwerte zu beachten sind (14) (Abb. 2). Die Wellen I und II werden dem peripheren Anteil des Nervus cochlearis zugeordnet, die Welle III wird im oberen Olivenkomplex und die Welle V im Colliculus inferior resp. im rostralen Teil des Lemniscus lateralis generiert. Bereits bei Frühgeborenen ab der 28. SSW sind AEPs ableitbar, die Amplituden sind jedoch niedriger und die Latenzen länger. Nach der Geburt lassen sich die Wellen I, III und V gut nachweisen, die Wellen II und IV sind dagegen nicht immer reproduzierbar. Die Amplituden sind bis 50 % niedriger im Vergleich zu den Amplituden bei Erwachsenen. Ab ca. 2 Jahren werden die Normwerte für Erwachsene erreicht (19). Eine wichtige und häufige Indikation im Kindesalter ist die objektive Überprüfung der Hörfunktion bei Säuglingen mit Risikofaktoren oder bei pathologischem Hörscreening. AEPs sind auch eine sinnvolle Untersuchung bei Erkrankungen im Bereich des Hirnstamms, sind jedoch hier wenig spezifisch und müssen immer im Rahmen des klinischen Gesamtkontextes interpretiert werden (Tab. 2, Abb. 3 und Abb. 4) (10). Bei komatösen Kindern sind AEPs hilfreich in der Prognoseeinschätzung. Ein bilateraler Ausfall der Potentiale ist mit einem schlechten Outcome bzw. Tod assoziiert (11). Sinnvolle Einstellungen für die Durchführung von AEPs in der Pädiatrie sind in Tab. 3 aufgeführt. Visuell Evozierte Potentiale (VEP) Visuell evozierte Potentiale werden generiert nach Stimulation des visuellen Systems und über der Okzipitalregion abgeleitet. Visuelle Reize werden am Auge über die Netzhaut in elektrische Impulse umgewandelt und entlang der Sehbahn zur zentralen Sehrinde weitergeleitet. In der Sehrinde erfolgt die Verarbeitung dieser Erregung. Die Reizung kann durch verschiedene visuelle Stimuli erfolgen. Die Stimulation erfolgt im klinischen Alltag durch Verwendung einer Schachbrettmuster-Stimulation (Abb. 5). Hier wird das Auge durch die Kontrastumkehr gereizt. Bei kleinen Schachbrettmustergrößen von Bogenminuten wird vor allem die Fovea gereizt, während Mustergrößen von Bogenminuten foveale und extrafoveale Areale aktivieren. Bei Verwendung von Schachbrettmuster- Reizen muss der Patient kooperativ sein und konstant fixieren können. Die Untersuchung erfolgt beim wachen Patienten, Stimulation Alter 70 db Neugeborene 70 db 3. Monate 70 db 12 Monate 70 db >2 Jahre Ab der 24. SSW VEP ableitbar, negative Ausschläge im Bereich von 300 ms P 200 bei FG SSW, im Verlauf wird Latenz kürzer P 100 als großer positiver Ausschlag wird mit ca. 6 Monaten erreicht Nach 6-12 Monaten nur wenig Veränderung der VEP Tab. 5: VEP-Reifung Abschätzung der visuellen Funktion bei Säuglingen und Kleinkindern Kortikale Blindheit Neonatale Asphyxie (Prognoseparameter) Demyelinisierende Erkrankungen (z. B. Multiple Sklerose, ADEM, Neuritis N. optici) Neurometabolische oder hereditäre Erkrankungen mit Beteiligung des Sehnervs (z. B. Leukodystrophien, neuronale Zeroidlipofuszinose, Neurofibromatose) Psychogene Sehstörung I III V I-III III-V I-V 2.0 (0.25) 4.8 (0.30) 7.0 (0.33) 2.8 (0.21) 2.2 (0.17) 4.9 (0.25) 1.7 ( 0.20) 4.3 (0.26) 6.4 (0.31) 2.5 (0.22) 2.2. (0.23) 4.7 (0.25) 1.7 (0.29) 4.0 (0.32) 6.0 (0.33) 2.2 (017) 2.0 (0.21) 4.3 (0.24) 1.7 (0.17) 3.8 (0.2) 5.7 (0.16) 2.1 (0.11) 1.9 (0.21) 4.0 (0.20) Tab. 4: Altersentsprechende Normwerte AEP im Kindealter in msec (mittlere Latenzen +-Standardabweichung in msec) nach Taylor et al. (19) Tab. 6: VEP im Kindesalter: wichtige klinische Anwendungen Abb. 7: Normale VEP bei einem Kleinkind (Stimulation mit Schachbrett binokular und monokular). Markierung von P 100, Bestimmung von Amplitude und Latenz Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

8 Originalien/Übersichten Reizart Reizfrequenz Filter Analysezeit Muster-VEP: Schachbrett 15 /50-60, Reizfeld 12-15, Fixation: Mitte, Kontrast 100 % (grössere Kinder), LED-Brille (Säuglinge, Kleinkinder) 1-2 Hz (ungerade Zahl): LED 1,8 Hz, Monitor 1,2 Hz 0,5-100 Hz Verstärkung 10 µv Mittelungsschritte/ Reproduzierbarkeit Impedanz Montage Auswertung 300 ms (bei Neugeborenen 500 ms) x 2 (LED:60, Muster:100) 1 ms Latenz P 100, +- 20% Amplitude P 100 < 5 kohm Tab. 7: Standard VEP-Einstellungen in der Pädiatrie 1-Kanal: Oz-Fz, Erde Cz 3-Kanal: O1-Fz, Oz-Fz, O2-Fz, Erde Cz P100: Latenz, Amplitude, Wellenform Abb. 8 Klinisches Beispiel: Leber sche kongenitale Amaurose. VEP: nur angedeutetes Potential, ERG: ausgelöscht (nicht abgebildet) eine Vigilanzminderung führt zu einer Veränderung der Antwortpotentiale. Eine weitere Möglichkeit ist die Stimulation mit LED-Blitzbrillen. Dies sind Brillen mit eingebauten Licht-emittierenden Dioden (LED), die direkt vor die Augen gebracht werden (Abb. 6). Ausserdem können Einzelblitze (Stroboskopblitz) eingesetzt werden. Die Montage (1-Kanal) erfolgt nach den Richtlinien der ISCEV (International Society for Clinical Electrophysiology and Vision) (13) durch Platzierung der aktiven Elektrode bei Oz und der Referenzelektrode bei Fz (oder Mastoid). Die Erdelektrode wird über dem Vertex (Cz), alternativ auf dem Mastoid, Ohrläppchen oder Handgelenk platziert. Auch eine Ableitung mit mehreren Kanälen (z. B. O1 und O2) ist möglich. Die Untersuchung erfolgt in entspannter Atmosphäre in einem abgedunkelten Raum. Bei der VEP-Untersuchung ist eine gute Kooperation des Patienten besonders wichtig. Jede Messung wird zwei Mal durchgeführt, um die Reproduzierbarkeit zu zeigen. Bei Brillenträgern erfolgt die Untersuchung mit Tragen der eigenen Brille. Säuglinge und Kleinkinder lassen sich besser mit der LED- Brille untersuchen, die direkt auf das Auge gehalten wird. Hier muss jedoch beachtet werden, dass die Varianz der Reizantworten sehr groß ist und keine Normwerte verfügbar sind. Blitz-evozierte respektive mit LED-Brille evozierte Potentiale sind nicht identisch mit den VEP auf Kontrastumkehr, dies ist insbesondere bei der klinischen Beurteilung zu beachten Abb. 10: SEP Nervus medianus: Stimulation des Nervus medianus rechts, Untersuchung beim Kleinkind. Abb. 9 Klinisches Beispiel: Verlaufs-VEP bei einer progredienten neurologischen Erkrankung, Subakut: sklerosierende Panencephalitis (SSPE). Im Verlauf über 2 ½ Monate Verlust von P 100 Neurodegenerative Erkrankungen (z. B. Leukodystrophien, Friedreich-Ataxie) Demyelinisierende Erkrankungen (z. B. Multiple Sklerose) Rückenmarkserkrankungen (z. B. Syringomyelie, traumatische Rückenmarkserkrankungen, Myelopathie) Koma, Asphyxie (Prognoseabschätzung) Psychogene Sensibilitätsstörung Tab. 8: SEP im Kindesalter: wichtige klinische Anwendungen Abb. 11: SEP Nervus tibialis: Stimulation des Nervus tibialis rechts, Untersuchung beim Kleinkind 116 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

9 Originalien/Übersichten Für die Auswertung wichtig sind die Peaks N 75, P 100 und N 145. Es werden die Latenzen, Amplituden sowie die Wellenform bestimmt und ein Vergleich mit der Gegenseite durchgeführt (Abb. 7). Die Kombination mit einem Elektroretinogramm (ERG) kann bei retinalen Erkrankungen hilfreich sein. Bereits bei Frühgeborenen ab der 24./25. SSW können nach LED-Brillen Stimulation VEP abgeleitet werden, wobei hier nur ein spät auftretender negativer Peak (N 300) erhältlich ist. Bei Kindern am Termin erhält man einen positiven Peak bei ca. 200 ms, im weiteren Verlauf verkürzt sich die Latenz und geht über in eine grosse positive Komponente (P 100) ab dem Alter von ca. 6 Monaten (18). (Tab. 5) Die Durchführung von VEP ist sinnvoll zur Einschätzung der visuellen Funktion von Neugeborenen, die klinisch nicht fixieren können (Abb. 8) und auch hilfreich zur Prognoseabschätzung bei asphyktischen Neugeborenen. Pathologische VEP bei Kindern mit Asphyxie sind prognostisch ungünstig, während normale VEPs für ein gutes Outcome sprechen (8, 9). Wichtigste Indikation bei älteren Kindern sind demyelinisierende Erkrankungen (z. B. multiple Skerose, ADEM, und Neuromyelitis optica). Daneben können Sie auch bei gewissen neurodegenerativen und neurometabolischen Erkrankungen pathologisch sein.(tab. 6, Abb. 9). Die Standard Einstellungen für VEPs im Kindesalter sind in Tab. 7 aufgeführt. Somatosensibel Evozierte Potentiale (SEP) Die Ableitung somatosensibel evozierter Potentiale ist eine objektive Funktionsprüfung des somatosensiblen Systems. Dies umfasst folgende Strukturen: Haut-, Muskel und Gelenkafferenzen einschließlich deren Ursprungszellen in den Spinalganglien sowie das Hinterstrangsystem bis zur primären sensiblen Rinde. SEP sind elektrische Potentiale, die reizabhängig in der sensorischen Leitungsbahn generiert werden. Potentiale entstehen peripher, spinal, subkortikal und kortikal. In der klinischen Routine werden am häufigsten der Nervus medianus und der Nervus tibialis stimuliert. Die Nervenstimulation erfolgt über eine bipolare Oberflächenelektrode mittels Rechteckimpulsen von 0,1-0,5 ms Dauer, die Reizfrequenz liegt zwischen 3 und 5 Hz. Stimuliert wird der periphere Nerv mit 3-4 ma über der motorischen Schwelle (15). Bei der Untersuchung der SEP nach Stimulation des N. medianus erfolgt die Ableitung (Standard 4-Kanal) über Erb schem Punkt (oberhalb Mitte Clavikula), C7, C2 und kontralateralem Handfeld (C3 /C4 ) mit Referenz Fz. Kortikale Potentiale in gesunden Neugeborenen ab 27. SSW nachweisbar 27. SSW N1 (N20): 120 ms 32. SSW N1 (N20): 70 ms 40. SSW N1 (N20): ms Cervicale Potentiale (N13): 10 ms bei reifen Neugeborenen SSW = Schwangerschaftswoche Tab. 9: SEP Reifung Nervus medianus Kortikale Potentiale FG: 80 ms Kortikale Potentiale Reife NG: um 35 ms FG = Frühgeborenes; NG = Neugeborenes Tab. 10: SEP Reifung Nervus tibialis Abb. 12: SEP nach Reizung des Nervus Medianus, 4 Kanal-Ableitung, Normalbefund 15 jähriges Mädchen Abb. 13: Klinisches Beispiel: 9-jähriger Patient mit Guillain Barre-Syndrom, P 40 Latenz verlängert. Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

10 Originalien/Übersichten Reizart Reizfrequenz Reizstärke Filter Analysezeit Mittelungsschritte/ Reproduzierbarkeit Impedanz Montage Auswertung 0-2 Wochen 31 (3.01) 2-6 Wochen 21.8 (3.05) 7-13 Wochen 20.7 (2.54) 4-8 Monate 17.7 (0.76) 9-15 Monate 15.7 (0.94) Monate 15.4 (0.63) 2-3 Jahre 14.9 (0.93) 3-5 Jahre 15.3 (0.58) 6-8 Jahre 15.5 (0.54) 9-11 Jahre 16.5 (0.60) Jahre 17.2 (0.69) Jahre 17.7 (0.79) Erwachsene 18.4 (0.89) Tab. 12: Altersabhängige Normalwerte für N 20 (SEP N. medianus) (nach 19). Mittlere Latenz in msec, +-Standardabweichung in msec 2-4 Jahre 32.2 (1.76) 5-7 Jahre 32.1 (3.09) 8-10 Jahre 32.4 (2.19) Jahre 33.1 (1.97) Jahre 35.2 (2.09) Erwachsene 39.6 (2.32) Rechteckreiz 0,1-0,2 ms Tab. 13: Altersabhängige Normalwerte für P 40 abgeleitet über CZ (SEP N. tibialis) (nach 19). Mittlere Latenz in msec, +-Standardabweichung in msec 3-4 Hz (ungerade Zahl, z. B. 4,3 Hz) 3-4 ma über motorischer Schwelle Hz 50 ms (N.medianus), 100 ms (N. tibialis) 250 (N. medianus), 500(-2.000) (N. tibialis) 0,25 ms Latenz (N. medianus), 0,5 ms Latenz (N. tibialis), % Amplitude < 5 kohm Tab. 11: Standard Einstellungen der SEP in der Pädiatrie. Erb, C7, C2, C3 /C4 gegen Fz (N. medianus) L1 gegen Beckenkamm, Cz gegen Fz (N. tibialis) Latenzen Erb, N13a, N13 b, N 20 (N. medianus) Latenzen lumbal, P 40 (N. tibialis) Bei Stimulation des N. tibialis erfolgt die Ableitung (Standard 4-Kanal) über L5, L1, C2 und Cz. Abhängig von der klinischen Fragstellung sind andere Montagen möglich. Die Untersuchung muss bei entspanntem Patienten durchgeführt werden (Abb. 10, Abb. 11). Bei Säuglingen und Kleinkindern ist in der Regel eine Sedierung erforderlich. Bei Stimulation des Nervus medianus erhält man Reizantworten vom Erb schen Punkt, zervikale Reizantworten (N 13a, N 13 b) sowie kortikale Reizantworten (N20). Bestimmt werden die Latenzen und Amplituden sowie die zentrale Überleitungszeit (Abb. 12). Nach Reizung des Nervus tibialis erhält man als wichtige Potentiale eine lumbosakrale Reizantwort (N 22) und eine kortikale Reizantwort (P 40). Bestimmt werden auch hier Latenzen, Amplituden und Interpeaklatenzen. Bei den SEPs besteht eine Korrelation zum Alter und der Körpergröße und es sind die entsprechenden Normwerte zu beachten (1, 2, 14). Die Untersuchung von SEPs ist eine wichtige neurophysiologische Methode zur Beurteilung sensorischer Leitungsstörungen bei cerebralen und spinalen Erkrankungen und bei proximal betonten Neuropathien resp. Radikulopathien im Kindesalter (3). Außerdem sind SEPs ein prognostischer Parameter bei Patienten mit Asphyxie oder im Koma (5) (Tab. 8, Abb. 13, Abb. 14). SEP sind bereits bei Frühgeborenen und Neugeborenen ableitbar. Als Folge der zunehmenden Myelinisierung werden die Latenzzeiten der zentralen Potentiale mit zunehmender Reife kürzer, wobei das Potential über Erb schem Punkt relativ konstant bleibt. Die Latenz des cortikalen Potentials nach Stimulation des Nervus medianus reduziert sich von 18 ms im Alter von 4-8 Monaten auf 15 ms im Alter von 2-3 Jahren und nimmt dann kontinuierlich wieder zu, um dann Erwachsenenwerte von ms zu erreichen (17). (Tab. 9, Tab. 10). Die Standard-Einstellungen für die Durchführung von SEP im Kindesalter sind in Tab. 11 aufgeführt. Altersentsprechende Normwerte sind in Tab. 12 und 13 zu finden. Motorisch Evozierte Potentiale (MEP) Die motorisch evozierten Potentialen (MEP) werden durch magnetische Stimulation umschriebener Regionen des zentralen und/oder peripheren Nervensystems ausgelöst. Nach transkranieller Magnetstimulation umschriebener Areale des motorischen Kortex können am entsprechenden Zielmuskel elektrische Summenpotentiale abgeleitet werden. Am Zielmuskel werden 2 Oberflächenelektroden so angebracht, dass die aktive Elektrode über dem Muskelbauch und die inaktive Elektrode über dem Muskelansatz liegen. Die Richtlinien gemäss DGKN für die Durchführung von MEP sind der Tab. 1 zu entnehmen (Tab. 14). MEPs im Kindesalter werden in der klinischen Routine eher selten eingesetzt. Sie können in der Abklärung von Patienten mit Polyradikulitis Guillain Barré diagnostische Hinweise liefern. Ebenso sollten sie bei Patienten, welche für ein spinal cord monitoring z. B. bei einer Skoliose Operation vorgesehen sind, präoperativ abgeleitet werden. Sie leisten zudem einen Beitrag für das Verständnis der Pathophysiologie der motorischen Entwicklung oder für das Verständnis der Cerebralparese (7). Der kombinierte Einsatz von funktionellem MRI mit MEP erlaubt im Rahmen von wissenschaftlichen Fragstellungen Aussagen zu Reorganisationsvorgängen nach cerebralen Läsionen, z. B. bei kongenitaler Hemiparese (16). Für die zentralmotorische Leitungszeit unter Vorinnervation gelten ab ca. 5 Jahre die Werte wie für Erwachsenen. Vor dem 5. Lebensjahr sind altersabhängige Normwerte zu beachten (Tab. 15). Literatur 1. Boor et al.: Somatosensory evoked potentials after posteror tibial nerve stimulation-normative data in children. European Journal of Paediatric Neurology 1998, 2: Boor R et al.: Subcortical somatosensory evoked potentials after median nerve stimulation in children. European Journal of Paediatric Neurology 1998, 2: Breitbach-Faller N et al.: Klinische Neurophysiologie in der Pädiatrie Untersuchungsablauf und Befundintegration. Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 2007, 6 (4), Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

11 Originalien/Übersichten Abb. 14: Klinisches Beispiel: 16 jähriger Patient mit hypoxisch-ischämischer Encephalopathie. Ausfall zentraler Potentiale bei gut erhaltenem peripherem Potential. Reizart Reizstärke Filter Analysezeit Reproduzierbarkeit Impedanz Montage Auswertung Ringförmige Flachspule Handmuskeln: Cortex, flach mittig über Cz aufgelegt, cervical mittig über HWK 7. Läuft der Strom in der Spule von rechts nach links, geht der im Cortex induzierte Strom die umgekehrte Richtung, d.h. es werden vorrangig die Muskeln des rechten Armes stimuliert. Beinmuskeln: Cortex flach mittig über Fz aufgelegt, lumbal über LWK 5 Reiz: Für die Richtung des Magnetreizes spielt die Richtung des Stromflusses in der Spule eine Rolle. Reizstrom im Uhrzeigersinn Zielmuskel links und umgekehrt. Leicht tonisch angespannter Zielmuskel bei kortikaler Stimulation. Reiz 1,5 fach der Schwellenreizstärke 5 Hz bis 2000 Hz 100 ms 0,5 ms Latenz, +/- 20 % Amplitude < 5 kohm Tab. 14: Standard-Einstellungen MEP (Deuschl) Neugeborene Handmuskeln: Inteross. dors. l/abduct. poll. brev. Abduct. dig. min. Beinmuskeln: Tib. ant./abduct. hall/ext. dig. brev. Elektroden: differente über Muskelbauch, indifferente über distalem Sehnenansatz Zentrale; periphere Latenz und zentrale Leitungszeit: Armmuskel: Cortex-cervikal Beinmuskel: Cortex-lumbal Amplitudenquotient Cortex/peripher Potentialform, Körpergrösse beachten ms 1. Lebensjahr bis 20 ms 2. Lebensjahr bis 15 ms 3. Lebensjahr bis 10 ms Tab. 15: Zentralmotorische Leitungszeit bei Kindern (unter Vorinnervation) (12). 4. Buchner H et al.: Evozierte Potentiale, Neuro-vegetative Diagnostik, Okulographie. Methodik und klinische Anwendungen. Stuttgart: Thieme De Vries LS et al.: The use of evoked potentials in the neonatal intensive care unit. J Perinat Med 1994, 22, Deuschl G. und Eisen A. Recommendations for the practice of clinical neurophysiology Electroenceph. clin. Neurophysiol. 1999, Supp Heinen F et al.: Absence of transcallosal inhibition in adolescents following focal magnetic stimulation in preschool children. Ann Neurol 1998:43 (5): Julkunen MK et al.: EEG, evoked potentials and pulsed Doppler in asphyxiated term children. Clin Neurophysiol. 2014, Jan 30. Pii: S Kato T et al.: Visual evoked potentials in the newborn: does it have predictive value? Seminars in fetal and neonatal medicine 2006, 11, Lowitzsch K et al.: Das EP-Buch. Stuttgart: Thieme Luetschg J et al: Brain stem auditory evoked potentials and early somatosensory evoked potentials in neurointensively treated comatose children. Am J Dis Child 137: , Muller et al.: Magnetic stimulation of motor cortex and nerve roots in children-maturation of cortico-motoneuronal projections. Electroencephalogr Clin Neurophysiol 1991; 81 (1): Odom JV, Bach M, Brigell M, Holder GE, McCulloch DL, Tormene AP, Vaegan. ISCEV standard for clinical visual evoked potentials (2009 update). Doc Ophthalmol 2010;120: Pressler RM et al.: Neonatal and Paediatric Clinical Neurophysiology. Churchill Livingstone Elsevier Amsterdam Stöhr M: Somatosensorisch Evozierte Potentiale (SEP). In Maurer (ed). Evozierte Potentiale. Atlas mit Einführungen. Enke Verlag Stuttgart Staudt et al., Two types of ipsilateral reorganization in congenital hemiparesis - a TMS and fmri study. Brain 2002; 125 (Pt 10, ) 17. Taylor MJ et al.: SEPs to median nerve stimulation: normative data for paediatrics. Electroencephalogr Clin Neurophysiol 1988, 71: Taylor MJ et al.: Visual evoked potentials in infants and children. Journal of Clinical Neurophysiology 1992, 9 (3), Taylor MJ: Evoked potentials in paediatrics. In: Halliday (ed): Evoked potentials in clinical testing. Churchill Livingstone, Edinburgh, London, New York, 1993, Korrespondenzadresse: Dr. med. Oliver Maier Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Schwerpunkt Neuropädiatrie Leiter Zentrum für Kinderneurologie Entwicklung und Rehabilitation (KER-Zentrum) Ostschweizer Kinderspital St. Gallen Claudiusstr. 6, CH 9006 St. Gallen oliver.maier@kispisg.ch Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt vorliegt. Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

12 Originalien/Übersichten Das EEG im Kindesalter kann mehr als Epilepsie! KURLEMANN G., FIEDLER, B. Klinik für Kinder Jugendmedizin, Allgem. Kinderheilkunde, Bereich Neuropädiatrie, Universitätsklinikum Münster Zusammenfassung Das EEG ist eine nicht belastende, beliebig oft wiederholbare Untersuchung. EEG-Muster im Kindesalter können einen richtungsweisenden Hinweis geben für Erkrankungen, anders als die Epilepsie. Es gibt EEG-Muster, die eine Krankheit beweisen können. Dargestellt werden die Differentialdiagnose des Burst- Suppression EEGs der reifen Neugeborenen, das Re-build-up Phänomen für das Moyamoya Syndrom; Thetarhythmen, frontale und okzipital kettenförmige Spikes und eingekerbte Deltawellen bei dem Angelman-Syndrom; spindelförmige hochamplitudige Betaaktivität bei Lissenzephalie, Radermecker-Komplexe bei SSPE und einzelstehende okzipitale Spikes bei langsamer Lichtreizung bei NCL Jansky-Bielschowsky. Die Kenntnis dieser Befunde erlaubt eine Blickdiagnose aus dem kindlichen EEG. Schlüsselwörter EEG Muster, Burst-Suppression, Moyamoya-Syndrom, SSPE, Lissenzephalie, Jansky Bielschowsky, Angelman-Syndrom Childhood EEG patterns aid diagnosis of disorders other than epilepsy and epilepsy syndromes Abstract EEG is a non-invasive examination that can be repeated as often as necessary. EEG childhood patterns can be indicatory of disorders other than epilepsy. There are EEG patterns that prove the existence of a disease. Presentations include the differential diagnosis of burst suppression EEG patterns in mature neonates, the re-build-up phenomenon for the Moyamoya syndrome; Theta rhythms, frontal and occipital chainlike spikes and indented Delta waves in the Angelman syndrome; spindleshaped high-amplitude Beta activity in lissencephaly, Radermecker complexes in SSPE and single occipital spikes under slow light stimulation in the NCL Jansky- Bielschowsky disorder. Knowledge of these findings permits a visual diagnosis on the basis of the infant EEG. Keywords EEG-patterns, Moyamoya Syndrome, SSPE, lissencephalia, Jansky Bielschowsky, Angelman Syndrome Bibliography Neuropaediatrie 2014; 13: , Schmidt-Roemhild-Verlag, Luebeck, Germany: ISSN ; NLM ID ; OCoLc Einleitung Der Jenenser Psychiater Hans Berger berichtete 1929 im Archiv für Psychiatrie in seiner ersten Publikation Über das Elektroenkephalogramm des Menschen erstmal über die Möglichkeit, Hirnströme an der intakten Kalotte des Menschen zu registrieren und darzustellen (3). Die Laienpresse war wie elektrisiert: Dunkelkammer der Psychiatrischen Klinik in Jena. Doppeltüren schließen den Raum schalldicht von der Umwelt ab. Eine bahnbrechende Entdeckung soll ausprobiert werden, die Professor Dr. Hans Berger, dem Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik in Jena, gelungen ist. Es handelt sich um die Aufzeichnung der Gedanken in Gestalt einer Zick-zack-Kurve, um die elektrische Schrift des Menschenhirnes (4). Seit dieser bahnbrechenden Entdeckung ist das EEG aus der Diagnostik und Verlaufskontrolle der Epilepsie nicht mehr wegzudenken. Daneben kann das EEG aber auch richtungsweisende Befunde für andere neuropädiatrische Krankheitsbilder liefern, die nicht zwangsläufig mit einer Epilepsie einhergehen. Die Kenntnis dieser EEG-Muster ist wichtig, um weiterführende Untersuchungen gezielt und ohne Umwege zu veranlassen und so unnötige, möglicherweise belastende diagnostische Eingriffe gerade im Kindesalter zu vermeiden. Da es sich in der Regel um altersabhängige EEG-Muster bei retardierten Kindern handelt, die im Erwachsenenalter nicht mehr präsent sind, erlaubt das EEG fast nur im Kindesalter die im Folgenden dargestellten Blickdiagnosen. Burst Suppression EEG des reifen Neonaten Im Vordergrund der differentialdiagnostischen Überlegungen beim Burst- Suppression-EEG des reifen Neugeborenen stehen nach Ausschluss einer hypoxisch-ischämischen Enzephalopathie und schweren zerebralen Fehlbildungen immer angeborene Stoffwechselerkrankungen und genetisch bedingte frühe epileptische Enzephalopathien (Abb. 1). Der Vigilanzzustand des Neugeborenen ist dabei von besonderer Bedeutung, da im Schlaf das EEG beim Neugeborenen bis zur 48. Woche diskontinuierlich sein darf, nicht aber im Wachen! D.h., ein diskontinuierliches Schlaf-EEG, das unterschiedliche Ausmaße annehmen kann, sollte nach dem Erwecken des Kindes verschwinden. Ein Burst-Suppression-EEG besteht auch im Wachen. Das Burst-Suppression-EEG des reifen Neugeborenen ist kontinuierlich nachweisbar, lässt sich durch externe Stimuli nicht unterbrechen, die Interburststrecken zeigen wenig Modulation der Interburstaktivität (Dauer 1-10 Sek, < 5-10 µv), die Aktivitätsausbrüche (bursts) dauern 2-4 Sekunden und treten unabhängig von klinischen Myoklonien auf (Amplitude µv). Absolute Grenzwerte der Aktivitäts-Bursts liegen nicht vor (Abb. 1). Dieses Muster ist immer von der physiologischen Diskontinuität (tracé alternant) abzugrenzen, die sich durch Erwecken des Kindes oder externe Stimuli auflöst. Nach der 34. Woche kann das Burst-Suppres- 120 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

13 Originalien/Übersichten sion-eeg eindeutig vom Tracé alternant- EEG abgegrenzt werden (10, 17). Ursachen eines Burst-Suppression- Musters im EEG des reifen Neonaten können sein: hypoxisch-ischämische Enzephalopathie, angeborene Hirnfehlbildungen, genetische Ursachen wie Mutationen im ARX-Gen, Mutationen im MUNC181 (STXBP1)-Gen und 1p35-Deletion oder unterschiedliche andere genetische Ursachen, die sich durch eine genetische Paneldiagnostik klären lassen. Nach Ausschluss einer Stoffwechselerkrankung ist es heute Standard, eine genetische Ursache mittels Paneldiagnostik durchzuführen. Folgende Stoffwechselerkrankungen gehen mit einem Burst-Suppression-EEG einher: non-ketotische Hyperglyzinämie, Sulfitoxidasemangel, Molybdän-Kofaktormangel, Pyridoxin- und Pyridoxalphosphatabhängige Epilepsie, L-2-Hydroxyglutarazidurie. Nach Ausschluss der Stoffwechselstörungen wurde vor der Zeit der genetischen Paneldiagnostik die Diagnose eines Ohthahara-Syndromes oder einer frühen myoklonischen Enzephalopathie gestellt. Heute werden durch systematische molekulargenetische Diagnostik unterschiedlichste genetische Ursachen für diese Syndrome gefunden, was die Notwendigkeit dieser Diagnostik belegt. Ein Ohthahara -Syndrom oder die frühe myoklonische Enzephalopathie des frühen Säuglingsalters sind immer eine Ausschlussdiagnose. Nach Gabe von 100 mg Pyridoxin (Vitamin B6) löst sich ein Burst-Suppression-EEG als Ursache einer pyridoxinabhängigen-epilepsie in der Regel auf, was dann eine gezielte Diagnostik ermöglicht, wie Bestimmung von Bestimmung der Pipecolinsäure in Serum, Urin und Liquor( Urin ist ausreichend) und genetische Bestätigung durch Mutationssuche im ALDH7A1 Gen (Antiquitingen); Therapie der Wahl: lebenslängliche Gabe von Vitamin B6 in individueller Dosis: mg/tag. Bei diesen Dosen besteht keine Gefahr der Entwicklung einer Polyneuropathie. Ob diätetische Maßnahmen wie lysinmodifizierte Diät sinnvoll sind zur Reduzierung des kognitiven Defizites, wird aktuell durch Studien versucht zu klären (24). Im Gegensatz zur pyridoxinabhängigen Epilepsie sprechen Neugeborene mit Pyridoxal-Phosphatabhängiger Epilepsie nur auf die Gabe des aktiven Kofaktors Pyridoxalphosphat (PLP) an. Das Enzym Pyridoxamin-5-Phosphat-Oxidase ist für die Umwandlung von der Vitamin-B6-Vitamere in den aktiven Kofaktor Pyridoxal- Phospat notwendig. In der Regel finden sich im Liquor Erhöhung von Threonin und Glyzin sowie einer Erniedrigung der hom*ovanillinmandelsäure. Bei Verdacht sollte direkt mit mg/kg KG Pyridoxal-Phosphat oral behandelt werden, ohne auf die Bestimmung der Liquormetabolite zu warten. Die Diagnose wird molekulargenetisch durch Mutationen im PNPO-Gen bestätigt. Therapie der Wahl: lebenslänglich mit Pyridoxal-Phosphat mg/kg KG oral. Das Enzym Sulfitoxidase katalysiert mit dem Molybdän-Kofaktor Sulfit zu Sulfat, den letzten Schritt im Stoffwechsel der schwefelhaltigen Aminosäuren. Bei Ausfall der Sulfitoxidase oder des Molybdänkofaktors akkumulieren die neurotoxischen Substanzen S-Sulfozystein und Thiosulfat. Gerade S-Sulfozystein ist das Paradebeispiel einer endogenen Exitotoxizität durch Aktivierung des NMDA-Rezeptors. Der Sulfitoxidase- Mangel kann als isolierter Sulfitoxidase- Mangel auftreten oder als Molybdän- Kofaktormangel mit gleichzeitiger Defizienz der Xanthinoxidase, die ebenfalls Molybdänkofaktor-abhängig ist. Das hat Bedeutung für die Diagnosestellung, die schnell am Krankenbett durchgeführt werden kann: Kinder mit einem Molybdänko Faktormangel und fehlender Aktivität der Xanthinoxidase haben im Gegensatz zum isolierten Sulfitoxidase Mangel einen positiven Sulfit Test im frischen Urin und eine stark erniedrigte Harnsäurekonzentration (< 1mg/dl!, Werte sind altersabhängig!) im Serum, während beim Sulfitoxidase-Mangel nur der Sulfittest im Urin positiv ist. Beide Krankheitsbilder haben auf Grund der gleichen Endstrecke eine erhöhte Konzentration von S-Sulfozystein im Serum und Urin. Klinisch unterscheiden sich die Kinder nicht! Bildgebend findet sich das Bild einer subkortikalen und kortikalen multizystischen Hirndegeneration, welches an eine hypoxisch-ischämische Enzephalopathie erinnert. Weitere Symptome sind ausgeprägte Muskelhypotonie und fehlende psychom*otorische Entwicklung und eine Linsensubluxation. 75 % der Kinder weisen distinkte Dysmorphiemerkmale auf,wie: weiter Augenabstand, schmale Nase, verquollene Pausbacken, pausbäckig und ein langes Gesicht. Die meisten Kinder versterben frühzeitig. Diagnose: Sulfit-Test im frischen Urin; Harnsäurebestimmung im Serum, S-Sulfozystein in Serum und Urin. Molekulargenetische Bestätigung der Diagnose: isolierter Sulfitoxidase-Mangel: Mutationen im SUOX-Gen, Molybdänkofaktor-Mangel: MOCS1-Gen (Typ A); MOCS2 und MOCS3 Gen (Typ B), GPHN-Gen (Typ C). Therapie: Diät mit reduziertem Gehalt schwefelhaltiger Aminosäuren, gerade für milder verlaufende Fälle. Bei Kindern mit einem Molybdän-Kofaktor-Mangel Typ A mit Mutationen im MOCS1-Gen kann eine Behandlung mit zyklischem Pyranopterin- Monophosphat den Stoffwechsel und die klinischen Symptome mildern. Die Therapie der epileptischen Enzephalopathie erfolgt symptomatisch, Substanzen, die den NMDA-Rezeptor modulieren, sollten zum Abb. 1: Reifes Neugeborenes mit Myoklonien am ersten Lebenstag und Burst-Suppression-Muster im Wach-EEG. Beachte den Zeitvorschub! Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

14 Originalien/Übersichten Einsatz kommen, Dextrometorphan oder Perampanel (2, 13, 19, 20, 21, 25). Abb. 2: 6-jähriger Knabe mit rezidivierenden transitorisch ischämischen Attacken. Ruhe-Wach-EEG. Alpha-Grundrhythmus okzipital bds. Abb. 3: Gleicher Patient wie Abb. 2: 1 Minute nach HV-Ende Abb. 4: Gleicher Patient wie Abb. 2: 7 Minuten nach HV-Ende: rechtshemispärisch betontes Re -build-up-phänomen. Verlangsamung und Amplitudenaktivierung, Augen geöffnet Memo: Ein Burst-Suppression-EEG beim reifen Neugeborenen ist nach Ausschluss angeborener Fehlbildungen (Ultraschall) entweder Ausdruck einer angeborenen Stoffwechselstörung oder eines genetisch bedingten Epilepsiesyndroms. Frühestes Symptom dieser neonatalen Enzephalopathiesyndrome können intrauterine epileptische Anfälle sein, die sich postpartal fortsetzen. Nach intrauterinen epileptischen Anfällen muss die Mutter gezielt befragt werden: Merkmal sind zwei unterschiedliche Muster kindlicher Bewegungen repetitive rhythmische langanhaltende Bewegungen wie das Ticken einer Uhr abwechselnd mit den typischerweise wahrgenommenen Kindsbewegungen. Re-build up-phänomen Nur im Kindesalter ist eine hochamplitudige Frequenzverlangsamung, die durch den Hyperventilations (HV)-Versuch noch aktiviert wird (Build up) oder im Anschluss an den HV-Versuch nach zuvor bereits eingetretender Rückbildung einer HV-induzierten Verlangsamung ein charakteristisches EEG-Merkmal für ein Moyamoya-Syndrom. Das Phänomen des Wiederauftretens einer Verlangsamung im EEG wird als Re-build-up bezeichnet und ist sensitiver als das Build-up für ein Moyamoya-Syndrom (Abb. 2-5). Unter 87 Kindern mit einem Moyamoya-Syndrom ließen nur 4 Kinder das Re-build-up- Phänomen vermissen (6, 11). Im Erwachsenenalter fehlt dieses EEG-Merkmal bei dieser Patientengruppe, so dass es sich um ein altersabhängiges EEG-Merkmal des Kindesalters handelt. Das Re-Build-up ist bedingt durch die HV-induzierte Reduktion des PaCO2 und der Gefäßkonstriktion, die in Abhängigkeit des Gefäßprozesses sich regional verteilt darstellen kann, so dass das EEG bzw. die Verteilung der wiederauftretenden Verlangsamung (das Re-build-up-Phänomen) ein gutes Maß für die Verteilung einer O2-Minderversorgung mit dem Risiko eines Gefäßverschlusses ist. Postoperativ ist das Re-build-up in Abhängigkeit des OP-Ergebnisses nicht mehr nachweisbar, somit auch neben der Dopplersonographie eine nicht invasive Untersuchungstechnik zur Verlaufskontrolle (11, 22). Die Verlangsamung im EEG korreliert gut mit EEG-assoziierten SPECT-Befunden zur Überprüfung Stroke-gefährdeter Hirnareale (15). Um ein Re-build-up Phänomen nicht zu übersehen, gehört der HV-Versuch immer in die Mitte der EEG- Ableitung. 122 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

15 DIACOMIT Stiripentol Zur Anwendung beim Dravet-Syndrom (SMEI) Orphan drug-zulassung Hartkapseln und Pulver mit je 250 mg und 500 mg Diacomit 250 mg / 500 mg Hartkapseln - Wirkstoff: Stiripentol. Verschreibungspflichtig. Zusammensetzung: arzneil. wirksamer Bestandteil: 1 Hartkapsel Diacomit 250 mg enth. 250 mg (E)-Stiripentol (Stiripentol); 1 Hartkapsel Diacomit 500 mg enth. 500 mg (E)-Stiripentol (Stiripentol) Sonstige Bestandteile Hartkaps. Diacomit 250 mg: Povidon K29/32; Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A) entspricht 0,16 mg Natrium pro Hartkaps.; Magnesiumstearat, Gelatine, Titandioxid (E 171); Erythrosin (E 127); Indicogarmin (E 132). Sonstige Bestandteile Hartkaps. Diacomit 500 mg: Povidon K29/32; Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A) entspricht 0,32 mg Natrium pro Hartkaps.; Magnesiumstearat, Gelatine, Titandioxid (E 171) Anwendungsgebiete: Diacomit ist indiziert für die Anwendung in Verbindung mit Clobazam u. Valproat bei refraktären generalisierten tonisch-klonischen Anfällen bei Patienten mit schwerer myoklonischer Epilepsie im Kindesalter (SMEI, Dravet-Syndrom), deren Anfälle mit Clobazam u. Valproat nicht angemessen kontrolliert werden können. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegenüber Stiripentol od. einen der sonst. Bestandteile; Vorgeschichte mit Psychosen in Form deliranter Anfälle. Nebenwirkungen: Sehr häufig: Anorexie; Appetitverlust; Gewichtsverlust (v. a. in Komb. mit Natriumvalproat); Schlaflosigkeit; Benommenheit; Ataxie; Hypotonie; Dystonie. Häufig: Neutropenie (persistierende schwere Neutropenie bildet sich nach Absetzen i. allg. spontan zurück); Aggressivität; Reizbarkeit; Verhaltensstörungen, ablehnendes Verhalten; Übererregbarkeit, Schlafstörungen; Hyperkinesie; Übelkeit; Erbrechen; erhöhte γ-gt (v.a. in Komb. mit Carbamazepin u. Valproat). Gelegentlich: Diplopie (bei Anwendung mit Carbamazepin); Lichtempfindlichkeit; Hautausschlag; Hautallergie; Urtikaria; Müdigkeit. Vorsichtsmaßnahmen b. d. Anwendung: Hemmung v. Cytochrom P450-Isoenzymen: Cave Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln! Vor Behandlungsbeginn u. alle 6 Monate Blutbild u. Leberfunktion kontrollieren. Bei eingeschränkter Leber- u./od. Nierenfunktion Anwendung nicht empfohlen. Anwendung b. Kindern zwischen 6 Monaten u. 3 Jahren sowie d. Wachstumsrate v. Kindern in Komb. m. Natriumvalproat sorgfältig überwachen. Hinweis: weitere Informationen zu Wechselwirkungen, Dosierungsangaben; Anwendungsempfehlungen sowie Hinweise für Verkehrsteilnehmer enthält die Fach- und Gebrauchsinformation. DESITIN ARZNEIMITTEL GMBH, Weg beim Jäger 214, Hamburg, Stand: Januar 2014 Diacomit 250 mg / 500 mg Pulver - Wirkstoff: Stiripentol. Verschreibungspflichtig. Zusammensetzung: arzneilich wirksamer Bestandteil: 1 Beutel Diacomit 250 mg Pulver enth. 250 mg (E)-Stiripentol (Stiripentol); 1 Beutel Diacomit 500 mg Pulver enth. 500 mg (E)-Stiripentol (Stiripentol) Sonstige Bestandteile Diacomit 250 mg Pulver: Povidon K29/32; Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A) und Carmellose-Natrium, entspricht 0,11 mg Natrium pro Beutel; sprühgetrockn. Glucosesirup (500 mg pro Beutel); Aspartam (E 951) 2,5 mg pro Beutel; Tutti-Frutti-Aroma (enth. 2,4 mg Sorbitol pro Beutel); Hyetellose; Erythrosin (E 127); Titandioxid (E 171). Sonstige Bestandteile Diacomit 500 mg Pulver: Povidon K29/32; Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A) und Carmellose-Natrium, entspricht 0,22 mg Natrium pro Beutel; sprühgetrockn. Glucosesirup (1000 mg pro Beutel); Aspartam (E 951) 5 mg pro Beutel; Tutti-Frutti-Aroma (enthält 4,8 mg Sorbitol pro Beutel); Hyetellose; Erythrosin (E 127); Titandioxid (E 171). Warnhinweise: Diacomit 250 mg / 500 mg Pulver enthält Aspartam u. kann daher für Menschen mit Phenylketonurie schädlich sein; Pat. mit Glucose-Galactose-Malabsorption sollten Diacomit 250 mg / 500 mg Pulver aufgrund seines Gehaltes an Glucose nicht einnehmen; aufgrund des Gehaltes an Sorbitol sollten Pat. mit hereditärer Fructoseintoleranz Diacomit 250 mg / 500 mg n i c h t e i n n e h m e n. H i n w e i s : I n f o r m a t i o n e n z u N e b e n w i r k u n g e n, Gegen a n z e i g e n s i e h e o b e n ; I n f o r m a t i o n e n z u We c h s e l w i r ku n g e n, Dosierungsangaben; Anwendungsempfehlungen sowie Hinweise für Verkehrsteilnehmer enthält die Fach- und Gebrauchsinformation. DESITIN ARZNEIMITTEL GMBH, Weg beim Jäger 214, Hamburg, Stand: Januar 2014

16 Originalien/Übersichten Abb. 5: Gleicher Patient wie Abb. 2: Anhaltende Verlangsamung und Amplitudenaktivierung 12 Min. nach HV-Ende Abb. 6: Wach-EEG eines 5-jährigen Mädchens mit isolierten Spikes unter langsamer Lichtreizung Abb. 7: Wach-EEG eines 2-jährigen Knaben; amplitudenflaches EEG ohne Zeichen der Anfallsbereitschaft Das Moyamoya-Syndrom ist bislang ätiologisch nicht geklärt; es entwickelt sich ein progredienter Verschluss der großen Hirnarterien mit Ausbildung unterschiedlich gut kompensierender Umgehungskreisläufe; klinisch führende Symptome sind hyperventilationsbedingte transitorisch ischämische Attacken: z. B. das Kaltpusten einer Suppe, Aufblasen eines Luftballons, Einziehen von Spaghettis in den Mund etc. mit dem Risiko einer transitorisch-ischämischen Attacke bis hin zum Stroke. Daher verbietet sich die Wiederholung des HV-Versuches bei weiteren EEG-Ableitungen, wenn die Diagnose einmal gestellt ist; Ausnahme ist der HV- Versuch zur Eingrenzung bzw. Identifizierung des hypoxiegefährdeten Hirnareals vor einer geplanten Bypass-Op. Folgende Ursachen für ein Moyamoya-Syndrom sind beschrieben: genetische Grundlagen über Entzündungshypothesen bis zu Einzelfallbeschreibungen bei NF1 oder auch nach Schädelbestrahlung. Therapie der Wahl: frühzeitige Bypass-Operationen stehen zur Verfügung; die Prognose für die Kognition und zur Vermeidung weiterer Strokes ist umso besser, je früher die Operationen durchgeführt werden (direkte und indirekte Bypass-Verfahren). Merke: Moyamoya-Syndrom mit Rebuild-up-Phänomen: Post-HV induzierte wieder auftretende Verlangsamung, sowohl regional als auch generalisiert unterschiedlicher Länge in Abhängigkeit des Ausmaßes der PaCO2-Erniedrigung. Cave: Risiko einer transitorisch-ischämischen Attacke durch den HV-Versuch! HV-Versuch immer in der Mitte der EEG-Ableitung durchführen! Isolierte Spikes bei langsamer Lichtreizung Bei anfangs normal entwickelten Kleinkindern und Kindern und dann auftretenden epileptischen Anfällen verbunden mit einer Regression erworbener Fähigkeiten zeigt das EEG unter Reizung mit langsamen Lichtreizen einzelstehende Spikes, generalisiert oder okzipital betont (Abb. 6). Dieser EEG-Befund zusammen mit dem klinischen Bild ist charakteristisch für eine spätinfantile neuronale Ceroidlipofuszinose (NCL) Jansky-Bielschowsky. Durch die Lichtreizung werden generalisierte Myoklonien provoziert. In der Anamnese berichten die Eltern über Myoklonien (Erschrecken des Kindes) beim Anschalten des Lichtes. Sowohl der EEG-Befund als auch die Myoklonien verschwinden bei höherfrequenter 124 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

17 Originalien/Übersichten Lichtreizung. Die Diagnose wird molekulargenetisch bestätigt durch Veränderungen im Tripeptidylpeptidase 1-Gen auf Chromosom 11p15. Die spätinfantile neuronale Ceroidlipofuszinose Jansky- Bielschowsky tritt in Deutschland mit einer Inzidenz von 0,46/ auf und ist damit eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen im Kindesalter (7). Die weitaus seltener in Deutschland vorkommende infantile NCL Santavuori- Haltia ist charakterisiert durch einen früheren Beginn und ein anderes EEG-Muster: bei dieser Variante der NCL kommt es zu einem frühen Verlust der Amplitude im EEG (Abb. 7). Die Verdachtsdiagnose aus dem EEG wird genetisch bestätigt durch Nachweis von Mutationen im lysosomalen Palmitoylproteinthioesterase-Gen auf Chromosom 1 p32. Die juvenile Form der NCL Spielmeyer- Vogt weist keinen richtungsweisenden EEG-Befund auf. Zum EEG-Befund der spätinfantilen NCL Jansky-Bielschowsky gibt es keine Differentialdiagnose, dieser EEG-Befund ist beweisend für die Grunderkrankung. Die Prognose beider Formen der NCL ist infaust. Bei der infantilen Form der NCL Santavuori-Haltia muss bildgebend ein Subduralerguss als Ursache der Amplitudenminderung ausgeschlossen werden. Im Spätstadium der spätinfantilen NCL Jansky-Bielschowsky ist der initiale EEG- Befund, der zur Diagnose geführt hat, nicht mehr nachweisbar (Abb. 8). Zu diesem Zeitpunkt ist das EEG amplitudendeprimiert wie bei der infantilen Form der NCL Santavuori-Haltia. Memo: Epileptische Anfälle mit einer Regression erworbener Fähigkeiten und einzeln stehenden Spikes unter Reizung mit langsamen Lichtreizen findet sich nur bei der spätinfantilen Form der NCL Jansky- Bielschowsky. Rhythmische 4-6 Hz hochamplitudige Wellen, rhythmische hochamplitudige frontale 2-3 Hz-Spikes, notched Delta okzipital Das EEG von Kindern mit einem Angelman-Syndrom weist eines der drei folgenden richtungsweisenden EEG-Muster auf: Rhythmische 4-6 Hz hochamplitudige Wellen (> 200 µv), oft generalisiert, rhythmische Spikes 2-3 Hz, hochamplitudig ( µv) frontal betont und rhythmische 3-4 Hz-Spikes hochamplitudig (> 200µV) aktiviert durch Augenschluss okzipital betont, wegen der Einkerbungen Abb. 8: Gleiche Patientin wie in Abb. 6: Patientin mit spätinfantiler NCL im sehr fortgeschrittenen Stadium, wenige Wochen präfinal. Extrem amplitudenflaches EEG ohne Reagibilität. Auch die Provokation der lichtinduzierten langsamen Spikes ist jetzt nicht mehr nachweisbar Abb. 9: Rhythmische 4-6 Hz, hochamplitudige Wellen (> 200 µv), oft generalisiert; 5-jähriges Kind, Augen geöffnet Abb. 10: Rhythmische Spikes 2-3 Hz, hochamplitudig ( µv) frontal betont Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

18 Originalien/Übersichten im aufsteigenden Schenkel der langsamen Wellen auch als notched Delta beschrieben (Abb. 9-11). Das Angelman-Syndrom ist ein Retardierungssyndrom mit einer Inzidenz von 1: Es ist klinisch charakterisiert durch eine mentale und statomotorische Retardierung mit fehlender Sprache nicht mehr als 6 Worte und einem ataktischen steifen Bewegungsbild und fröhlichen Wesen der Kinder. Andere Symptome sind Mikrozephalie, Zungenpropulsionen, Lachparoxysmen, Schlafstörungen, paroxysmales Flügelschlagen. 80 % haben epileptische Anfälle. Dem Angelman-Syndrom liegen unterschiedliche genetische Befunde der Region 15q11-13 zu Grunde: chromsomale Mikrodeletionen, paternale uniparentale Disomie (UDP), Imprintingdefekte (ID) und Punktmutationen im Ubiquitin- Protein-Ligase-Gen (UBE3A) in der chromosomalen Region 15q11.2. Diese unterschiedlichen genetischen Mechanismen können das mütterliche UBE3A-Gen inaktivieren (8). Eine spezifische Korrelation zwischen den unterschiedlichen EEG-Mustern beim Angelman-Syndrom und dem Genotyp bestehen nicht, ebenso wenig lassen sich für den Verlauf der Epilepsie Beziehungen zum Angelman- EEG-Muster ableiten (5, 26). Die Korrelation zwischen diesem EEG-Muster bei Kindern mit betont sprachlicher Retardierung und positivem genetischen Befund für ein Angelman-Syndrom ist sehr hoch. Memo: Rhythmische frontale oder okzipitale hochamplitudige Muster bei Abb. 11: notched Delta rhythmische Spikes 3-4 Hz hochamplitudig (> 200µV) aktiviert durch Augenschluss okzipital betont Kindern mit Retardierung sollten an ein Angelman-Syndrom denken lassen. Periodisch wiederkehrende polymorphe Komplexe Periodisch wiederkehrende polymorphe Komplexe werden als Radermecker-Komplexe bezeichnet. Sie sind das richtungsweisende EEG- Muster bei der subakut sklerosierenden Panenzephalitis (SSPE), einer Slow- Virusinfektion nach frühkindlicher Maserninfektion bei nicht gegen Masern geimpften Kindern. Die Radermecker-Komplexe im EEG treten bereits früh im Verlauf der Erkrankung auf (Abb. 13) (18). Es handelt sich um periodisch wiederkehrende, generalisierte, bilateral synchrone hochgespannte polymorphe Komplexe von 0,5 bis 1,0 Sekunden Dauer. Die Komplexe treten im Abstand von Sekunden auf. Die Periodizität wird besonders gut sichtbar bei Verkürzung des Zeitvorschubes (Abb. 12). Die Intervalldauer von mehreren Sekunden ist das entscheidende Kriterium für die Verdachtsdiagnose einer SSPE; die Wiederholungsfrequenz der Radermecker-Komplexe ist beim gleichen Patienten in der Regel identisch, zumindest während einer EEG-Ableitung, wie sich gut bei stärkerer Komprimierung des Zeitvorschubes zeigen lässt (Abb. 12). Die periodisch auftretenden extrapyramidalen Myoklonien bei der SSPE sind zeitlich eng zu den Radermecker-Komplexen korreliert; im Gegensatz zu den Radermecker- Komplexen lassen sich die Myoklonien medikamentös unterdrücken. Die Komplexe persistieren im Schlaf. Die Intervalldauer mehrerer Sekunden grenzt die SSPE von anderen periodisch auftretenden Komplexen z. B. bei metabolisch-toxischen Enzephalopathien ab, wo die Komplexe in der Regel in kürzeren Abständen auftreten (28). Spindelige hochgespannte Betaaktivität Abb. 12: Wach-EEG eines 13-jährigen Knaben. Radermecker-Komplexe bei komprimiertem Zeitvorschub: 30 Sek/Seite. Periodisch wiederkehrende polymorphe Komplexe Kinder mit einer Lissenzephalie Typ 1 haben alle eine hochgespannte Betaaktivität im EEG (Abb. 13, 14) als Folge der Agyrie. Unter den Migrationsstörungen sind die Lissenzephalie Typ 1 oder auch komplette Agyrie die schwerste Form einer Hirnaufbaustörung. Die Kinder weisen eine schwere Entwicklungsstörung auf, leiden oft, aber nicht immer, unter einer schwer behandelbaren Epilepsie. Die Typ 126 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

19 Originalien/Übersichten 1-Lissenzephalie tritt isoliert auf oder im Rahmen des Miller-Dieker-Syndroms oder des Norman-Roberts-Lissenzephalie-Syndromes. Molekulargentisch finden sich Mutationen oder auch Deletionen im LISI-Gen auf Chromosom 17p Es besteht eine Korrelation zwischen dem Grad der Lissenzephalie und der Art der Mutation/Deletion. Beim Norman- Roberts-Lissenzephalie-Syndrom finden sich Mutationen im Reelin-Gen auf Chromosom Ein hochamplitudige spindelförmige Betaaktivität ist ohne Betaaktivitätproduzierende Mediaktion (z. B. Benzoediazepine) ein derartig ungewöhnlicher Befund, der bei entwicklungsverzögerten Kindern mit und ohne Epilepsie unbedingt an das Vorliegen einer Agyrie denken lassen muss (Abb. 13, 14). Derartige Betaaktivität tritt nur bei Lissenzephalie Typ 1 auf. Bei einer Agyrie ändert sich der Dipol der elektrischen Hirnaktivität: die Dipole sind parallel statt radiär wie im Normalfall in gleicher Weise auf die Ableiteelektroden ausgerichtet, einmündend in die hochamplitudige Betaaktivität. Betaaktivität im EEG ist ein nicht so seltenes Merkmal, neben physiologischer Betaaktivität regional verursachen Medikamente Betaaktivität, aber nicht in einem Ausmaß wie bei einer Agyrie und vor allem nicht so konstant. Die Betaaktivität bei Agyrie tritt schon sehr früh auf, bei einigen anderen seltenen Erkrankungen wie z. B. der infantilen neuroaxonalen Dystrophie in charakteristischer Weise erst ab dem 3. bis 4. Lebensjahr. Aminoazidopathien, das Lowe-Syndrom, die Riesenaxonopathie und Organoazidopathien weisen ebenfalls eine vermehrte, nicht so stark ausgeprägte Betaaktivität auf. Memo: Hochgespannte generalisierte spindelförmige Betaaktivität ohne positive Mediakmentenanamnese ist richtungsweisend für eine Lissenzephalie Typ 1. Frontale oder fronto-temporale diskontinuierliche monotone hochamplitudige Theta- oder Deltaaktivität Angelman-ähnliche EEG-Muster mit frontaler oder fronto-temporaler diskontinuierlicher monotoner hochamplitudiger Theta- oder Deltaaktivität findet sich bei Patienten mit Ringchromosom 14 oder 20. Dieses EEG-Muster besteht unabhängig von der epileptischen Aktivität dieser Patienten, die in der Regel eine schwer behandelbare Epilepsie haben. Häufig wird dieses Muster nicht erkannt, da es im Rahmen des Epilepsie-Syndromes als Muster einer Anfallsbereitschaft interpretiert wird. Das klinische Bild dieser Patienten ist häufig nicht richtungsweisend bezüglich der Dysmorphiemerkmale (9). Literatur 1. Agadi S, Sutton VR, Quach MM et al. (2012) The electroencephalogram in neonatal maple syrup urine disease: a case report. Clin EEG Neurosci. 43: Bakker HD (1994) The detection of molybdenum cofactor deficiency: clinical symptomatology and urinary metabolic profile. J Inhert Metab Dis 17: Berger H. (1929) Über das Elektroenkephalogramm des Menschen. Archiv für Psychiatrie 87: Borck C. Hirnströme. Eine Kulturgeschichte des Elektroenzephalographie. 1. Auflage. Wallstein- Verlag, Göttingen, Buone S, Grosso S, Pucci L et al. (1999) Diagnosis of angelman syndrome: clinical and EEG criteria. Brain & Develop 21: Cho A, Chae JH, Kim HM et al. (2014) Electroencephalography in pediatric moyamoya di- Abb. 13: Wach-EEG eines 10 Monate alten Kindes mit Lissenzephalie Typ 1. Mutation im LIS1- Gen. Generalisierte spindelförmige hochamplitudige Betaaktivität bei geöffneten Augen Generell gilt: Für das Alter des Kindes zu schnelle EEG-Aktivität ist verdächtig auf eine Lissenzephalie Typ 1, da Säuglinge eher initial eine Alpha-Aktivität zeigen, die sich dann zur Betaaktivität ausbildet. Comb-like-Rhythmus Bei der neonatalen Ahornsirup-Erkrankung wird ein Comb-like-Rhythmus in der Literatur beschrieben. Da die Ahornsirup-Erkrankung durch das Neugeborenenscreening diagnostiziert und früh behandelt wird, so dass Entgleisungen kaum mehr auftreten, wird dieses EEG-Muster nicht mehr gesehen (1, 23). Abb. 14: Spindelförmige hochamplitudige Betaaktivität bei geöffneten Augen Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

20 Originalien/Übersichten sease: reappraisal of clinical value. Childs Nerv Syst 30: Claussen MP, Heim P, Knispel J et al. (1992) Incidence of Neuronal Ceroid-Lipofuscinoses in West-Germany: Variation of a method for studying autosomal recessive disorders. Am J Med Gen 42: Clayton-Smith J, Laan L. (2003) Angelman syndrome: a review of the clinical and genetics aspects. J Med Genet 40: Giovanni S, Marangio L, Fusco C et al. (2013) Epilepsy in ring 14 syndrome: a clinical and EEG study of 22 patients. Epilepsia 54: Hussain E, Nordli D. (2013) EEG patterns in acute pediatric encephalopathies. J Clin Neurophysiol 30: Kim DS, Ko TS, Ra YS, Choi CG. (2006) Postoperative electroencephalogram for follow up of pediatric Moyamoya disease. J Korean Med Sci. 21: Kurlemann G, Schuierer G. (1994) Das EEG in der Diagnose anderer Krankheitsbilder als der Epilepsie. Klin Pädiatr 206: Kurlemann G, Debus O, Schuierer G (1996) Dextromethorphan in molybdenum cofactor deficiency. Eur J Pediatr 155: Mastrangelo M, Peron A, Spaccini L et al. (2013) Neonatal suppression-burst without epileptic seizures: expanding the electroclinical phenotype of STXBP1-related, early-onset encephalopathy. Epileptic Disord. 15: Matheja P, Weckesser M, Debus O et al. (2002) Moyamoya syndrome: impaired hemodynamics on ECD SPECT after EEG controlled hyperventilation. Nuklearmedizin 41: Lemke JR, Riesch E, Scheurenbrand T et al. (2012) Targeted next generation sequencing as a diagnostic tool in epileptic disorders. Epilepsia 53: Lombroso CT. Neonatal polygraphy in full-term and premature infants: a review of normal and abnormal findings. (1985) J Clin Neurophysiol 2: Radermecker J. (1957) Das Elektroenzephalogramm der subakuten sklerosierenden Leukenzephalitis und seine Variationsbreite. Wien Z Nervenheilkd 13: Reiss J, Hahnewald R. (2011) Molybden cofactor deficiency: mutations in GPHN, MOCS1, and MOCS2.Hum Mutat 32: Slot HMJ, Overweg-Plandsoen WCG, Bakker HD et al. (1993) Molybden-cofactor deficiency: an easily missed cause of neonatal convulsions. Neuropediatrics 24: Tan WH, Eichler FS, Hoda S et al. (2005) Isolated sulfite oxidase deficiency: a case report with a novel mutation and review of the literature. Pediatrics 116: Takahashi N; Kikuchi H; Karasawa J et al. Evalution of EEG changes after surgical treatment in the children with moyamoya disease. (1981) In Kawabuchi J, Nuki H: Proceedings of the 10th Japanese Conference on Surgery of Cerebral Stroke. Tokyo. Neuron: pp Tharp BR (1992) Unique EEG pattern (comb-like rhythm) in neonatal maple syrup urine disease. Pediatr Neurol 8: Van Karnebeek CD, Stockler-Ipsirouglu S, Jaggumantri S et al. (2014) Lysine-Restricted diet as adjuvant therapy forpyridoxine-dependent epilepsy: The PDE consortium consensus recommendations. JIMD Rep Apr 19 (E-pub ahead of print) 25. Veldman A, Santamaria-Araujo JA, Sollazzo S et al. (2010) Successful treatment of molybdenum cofactor defieciency type A with cpmp. Pediatrics 125: Vendrame M, Loddenkemper T, Zarowski M et al. (2012) Analysis of EEG patterns and genotypes in patients with Angelman syndrome. Epilepsy & Behavior 23: Von Spiczak S, Caliebe A, Muhle H et al. (2011). Genetische Ursachen epileptischer Enzephalopathien. Zeitschrift für Epileptologie 24: Zschocke S, Hansen HC. Klinische Elektroenzephalographie. 3. Auflage. Springer-Verlag Heidelberg, Berlin 2012 Korrespondenzadresse: Univ.- Prof. Dr. Gerhard Kurlemann Klinik für Kinder-Jugendmedizin Allgem. Kinderheilkunde Bereich Neuropädiatrie Albert-Schweitzer-Campus 1 Gebäude 1 A Münster Gerhard.Kurlemann@ukmuenster.de Telefon: Interessenkonflikt Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. NEU: Jetzt auch als CD Geschichten gegen Angst und Stress Die Kapitän-Nemo-Geschichten Die Kapitän-Nemo-Geschichten gehören inzwischen zum Standardrepertoire von Entspannungsverfahren zum Abbau von Angst- und Stress bei Kindern zwischen 5 und 13 Jahren. Unterwasserausflüge, Unternehmungen, Abenteuer, Überraschungen, Unbekanntes, vielfältige Fische und Tiere unter dem Schutz des erfahrenen Kapitäns Nemo und in der sicheren Geborgenheit des Unterwasserbootes Nautilus kann ein Kind solchen Dingen begegnen und lernen, allem zuversichtlich, gelassen und angstfrei ins Auge zu sehen. Die 14 Geschichten haben das Ziel, dass sich ein Kind angenehm, ruhig und nicht aufgeregt fühlt, sich besser konzentrieren lernt, weniger Angst hat und auch besser einschlafen kann. Die Unterwassergeschichten werden in Kindergärten, Schulen, Kinderheimen, Kinderkliniken, Rehabilitationskliniken ebenso mit Erfolg eingesetzt wie im Alltag von Familien. Taschenbuch, 120 Seiten, ISBN , 7,95 2 CDs, Teil 1 + 2, Laufzeit ca. 180 Min., ISBN , 20,50 Erhältlich im Buch- und CD- Handel oder direkt beim Verlag. Film-Verlag GmbH Kronprinzenstr Essen Telefon 02 01/ Telefax 02 01/ Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

21 Originalien/Übersichten Seltene Differentialdiagnosen bei Visusminderung im Kindes- und Jugendalter - mit Schwerpunkt chronisch entzündlicher Erkrankungen CH. THIELS 1, I. KLEITER 2, C. KÖHLER 1, K. WEIGT-USINGER 1, A. SALMEN 2, R. GOLD 2, T. LÜCKE 1 1 Abteilung für Neuropädiatrie und Sozialpädiatrie, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Ruhr-Universität Bochum 2 Klinik für Neurologie, St. Josef-Hospital, Universitätsklinik, Ruhr-Universität-Bochum Abstrakt Visusminderungen können akut oder schleichend, einseitig oder beidseits auftreten. Sie erfordern je nach Dynamik und Schwere der Seheinschränkung eine rasche und exakte Diagnose sowie Therapieeinleitung. Anhand von 5 Jugendlichen stellen wir Visusminderungen unterschiedlicher Ätiologie mit entsprechender Diagnostik und Therapie vor. Schlüsselwörter Sehminderung, Ätiologie, Diagnostik, Therapie Rare differential diagnosis in visual impairment in childhood and adolescence focus on chronic inflammatory diseases Abstract Visual impairment can occur acutely or gradually, monocular or binocular. Depending on severity of visual impairment and course of disease fast diagnostic work-up and therapeutic intervention are essential. We present 5 adolescents with visual impairment of different etiology and discuss the diagnostic steps and therapeutic options. Keywords visual impairment, etiology, diagnostic steps, therapy Bibliography Neuropaediatrie 2012; 11: , Schmidt-Roemhild-Verlag, Luebeck, Germany: ISSN ; NLM ID ; OCoLc Legende Anti-AQP4-AK: anti-aquaporin-4-antikörper; anti-mog-ak: anti-myelin-oligodendrozyten-glycoprotein-antikörper; BSG: Blutsenkungsgeschwindigkeit; cmrt: cranielles MRT; LA: linkes Auge; MP: Methylprednisolon; MRZ: Masern-, Rötelnund Zoster-AK/Liquor; OCT: Optische Kohärenztomografie; OKB: Oligoklonale Banden; NMO: Neuromyelitis Optica; ON: Optikusneuritis; RA: rechtes Auge; SEP: somatosensorisch evozierte Potentiale; TCMS: transkranielle Magnetstimulation; VEP: visuell evozierte Potentiale. Einleitung Akute oder schleichende Sehstörungen bedürfen aufgrund einer drohenden persistierenden Visusminderung bis hin zur Erblindung einer schnellen und exakten Diagnose sowie einer entsprechenden Behandlung. Die Sehstörung kann einseitig, initial einseitig und im Verlauf beidseitig oder bereits zu Beginn beidseitig auftreten. Zudem kann sie isoliert oder mit anderen (neurologischen) Symptomen assoziiert vorkommen. Eine akute und rasch progrediente Sehstörung erfordert eine zeitnahe Diagnose oder zumindest Arbeitshypothese bzgl. des Pathomechanismus, um eine Therapie einleiten zu können. Anamnestische Tab. 1: Basisdiagnostik Angaben sowie klinische Unterschiede (zeitliche Dynamik, Vorhandensein von Schmerz, Geschlecht, Alter, isolierte Manifestation versus zusätzliche Symptome) sind für die Diagnosefindung wesentlich. Im diagnostischen Prozess steht im Anschluss an die exakte Anamnese die augenärztliche Untersuchung. Wichtig ist die Erhebung folgender Befunde: Visus, Sehfeld, Farbsehen und Augenhintergrund. Je nach Klinik und augenärztlichem Befund sollte nachstehende Diagnostik differenziert genutzt werden: VEP, OCT, Schädel- und ggf. Wirbelsäulen- MRT, Liquor-, virologische, Autoimmunund metabolische Diagnostik (Tab. 1). Einer Visusminderung können ursächlich immunologische, metabolische, infektiöse, ischämische, erbliche Prozesse, psychische Faktoren oder eine lokale Kompression zu Grunde liegen (18.). Die Sehstörung mit dem ophthalmologischen Befund eines beidseitigen Papillenödems (+/- Augenmuskellähmung, Kopfschmerz) im Rahmen einer idiopathisch intracraniellen Hypertension wird in diesem Artikel nicht berücksichtigt. Sie sollte aber bei entsprechender Konstellation differentialdiagnostisch einbezogen werden. Eine Übersicht zum Vorgehen findet sich bei Tibussek (20.). Auch psychogene Sehstörungen werden hier nicht behandelt. Anhand von 5 kasuistisch präsentierten Krankheitsbildern mit Visusverlust stellen wir die Unterschiede in Anamnese, Klinik und Befunden vor. Die the- Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

22 Originalien/Übersichten rapeutischen Entscheidungen werden erläutert. Je nach Schwere und Dynamik des Verlaufs der Visusminderung muss ein individuelles Therapiekonzept entworfen werden, mitunter auch im Sinn eines individuellen Heilversuchs. 1. Kasuistik 14 ½-jähriger, türkischer Jugendlicher nicht-konsanguiner Eltern beschreibt eine seit einer Woche bestehende schmerzfreie Sehstörung des rechten Auges als trübes Sehen (Visus 1,0). Augenärztlicher Befund: zentrales Skotom. Zuweisung in unsere Klinik. Klinisch keine internistische oder weitere neurologische Symptomatik. Labor: unauffällig. Die cmrt zeigte abgesehen von einer Neuritis N. optici rechts einen unauffälligen Befund. Weitere Diagnostik: OCT: Peripapilläre retinale Nervenfaserdicke bds. innerhalb normaler Grenzen. VEP: Latenz P100: RA 133,8ms(), LA 114,3ms (altersabhängiger Normwert P 100!, bei Jugendlichen bis ca 115ms). Spinales MRT: ohne pathologischen Befund. Immunologische Diagnostik: Serum: anti-mogund anti-aqp-4-ak: negativ. Liquor: Status o.b., OKB und MRZ negativ. Mikrobiologie: Borrelien-Serologie negativ. Diagnose: Idiopathische Neuritis N. optici rechts. Die Therapie wurde mit Methylprednisolon (MP) 20mg/kg KG/die über 3 Tage durchgeführt (max. 1g/Tag), worunter die Sehstörung komplett rückläufig war. Ohne weitere Therapie zeigte der Patient Abb. 1: Kasuistik 2 OCT LA (nicht dargestellt: Normalbefund RA): Funduskopie und OCT nach Erstereignis (Optikusneuritis LA) Funduskopie und OCT nach Rezidiv und Plasmapherese: bereits makroskopisch sichtbare Papillenabblassung und Abnahme der RNFL Sektorendarstellung der RNFL im gleichen Zeitraum: initial temporal betonte Abnahme der RNFL, nach Rezidiv global verminderte RNFL nach 7 Monaten eine erneute Visusverschlechterung rechts (Visus 0,8), cmrt: Kontrastmittel-Aufnahme im N. optici rechts. OCT rechts temporal grenzwertig tief, VEP: Latenz P 100: RA 128ms(). Erneut MP-Gabe über 3 Tage mit Restitutio ad integrum. Der Verlauf war bislang ohne weiteres Ereignis (Kontrolle Schädel-MRT, AK-Diagnostik nach 11 Monaten) keine immunmodulatorische Therapie. Diagnose: Idiopathische relapsierende Optikusneuritis. 2. Kasuistik 13 ½-jährige Jugendliche mit schmerzhafter Konjunktivitis LA, nach 5 Tagen kompletter Visusverlust LA, Vorstellung in einer Augenklinik und Aufnahme in einer auswärtigen Kinderklinik zur Glukokortikoid-Therapie sowie zur Diagnostik bzgl. der Frage nach einer juvenilen MS. Keine weitere neurologische Symptomatik. Spinales - und cmrt unauffällig; Liquor: Status o.b., OKB und MRZ negativ. Unter MP Visusbesserung, jedoch unter Ausschleichen des Glukokortikoids erneute Sehverschlechterung. Nach einem Monat Zuweisung in unsere Klinik. Ergänzende Diagnostik: VEP: Latenz P100: RA 100,5ms, LA 149,3ms() und OCT: LA: peripapilläre retinale Nervenfaserschichtdicke im temporalen Sektor unterhalb normaler Grenzen, (neuro-) immunologische Parameter: anti-mogund anti-aqp-4-ak, ANA- und ENA- Screen: unauffällige Befunde. Organosäuren/Urin: unauffällig. Arbeitshypothese: Papillitis/Neuritis N. optici links mit progredientem Verlauf. Unter MP Entwicklung eines milden Cushing-Syndroms. Das positive Ansprechen auf ein Glukokortikoid sowie eine Verschlechterung unter Reduktion sprachen für einen (auto-)immun getriggerten Pathomechanismus. Aufgrund des klinischen Verlaufs war eine Dauertherapie indiziert, so dass wir 2 Monate nach Krankheitsbeginn eine immunmodulatorische Therapie mit Glatirameracetat (GLAT) unter raschem Ausschleichen des Glukokortikoids begannen. Es zeigte sich initial keine Abnahme des Visus, sondern eine Visusverbesserung. Nach 1 Monat kam es allerdings innerhalb von 2 Wochen zu einem kompletten Visusverlust links. Zu diesem Zeitpunkt war die OCT-Messung links bei fehlender Fixation nicht möglich. Wir begannen nach erfolgloser MP- Gabe eine Plasmapherese, die bei gutem Ansprechen und guter Verträglichkeit über 7 Zyklen durchgeführt wurde. Hierunter erlangte die Patientin einen Visus LA von 0,8 1,0. Die OCT links nach Plasmapherese ergab eine deutlich vermin- 130 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

23 derte Dicke der peripapillären retinalen Nervenfaserschicht in allen Quadranten als Hinweis auf eine Schädigung des N. opticus links (Abb. 1). Seit dieser Zeit 2 Rezidive mit Visusminderung links, nach 9 Monaten ohne kernspintomografischen Hinweis auf eine floride Entzündung bei fehlender KM-Aufnahme N. optici links (allerdings deutliche Signalanhebung im Bereich der bulbusnahen Anteile des N. opticus links), bzw. nach 18 Monaten. Beide Rezidive stehen in engstem zeitlichen Zusammenhang mit Non-Compliance der GLAT-Therapie (angegebene (!) Nichtverabreichung über 5 bzw. 8 Tage), so dass ein Zusammenhang wahrscheinlich ist. Pharmakologische Daten stützen einen solchen Zusammenhang aufgrund der Kürze der Non-Compliance nicht, der zeitliche Zusammenhang ist jedoch bemerkenswert. Unter MP 1000mg an 3 aufeinanderfolgenden Tagen jeweils rasche Besserung des Visus (0,8 1,0). Die Patientin zeigt sich aktuell stabil unter Monotherapie mit GLAT (Visus 1,0), insgesamt über 2 Jahre nach Erkrankungsbeginn, bzw. 4 Monate nach letztem Relapse. Eine erneute Bestimmung der anti-mog-ak beim letzten Relapse ergab einen hochpositiven Befund: 1:1280 (Februar 2014, PD Rostásy, Innsbruck). Augenärztlicher Befund: Atrophie des N. opticus links. Diagnose: anti-mog-ak-positive relapsierende Optikusneuritis. 3. Kasuistik 16 ½-jähriger, türkischer Jugendlicher nicht-konsanguiner Eltern. Initial schmerzfreie Visusminderung, subjektiv nur des rechten Auges. Augenärztliche Vorstellung: Visus RA 0,25, LA 0,5, Papille bds. randscharf und vital; VEP: Latenzen normwertig, cmrt: unauffällig. Unter dem V.a. eine Retrobulbärneuritis (Augenklinik) Gabe von Prednisolon (1mg/kg KG/die) ohne Besserung über 5 Tage. Nach einem Monat Einholung einer Zweitmeinung in einer weiteren Augenklinik: Visus RA 0,1, LA 1,0, Zentralskotom RA; VEP: RA anamnestisch verzögerte Latenz P 100 (111ms), OCT: o. B. Erst in den folgenden Wochen hatte der Patient den Eindruck einer zusätzlich linksseitigen Visusverschlechterung. Die auswärts durchgeführte immunologische Diagnostik ANCA, ANA, ENA-Screen, anti-phospholipid-ak war negativ. 2 Monate nach Beginn der Sehverschlechterung des rechten Auges stellte sich der Patient bei uns vor. Der Patient wirkte wenig beeinträchtigt, die Überprüfung des Gesichtsfeldes und die weitere neurologische Untersuchung waren Abb. 2: VEP: LHON unauffällig. VEP: Latenzen P100 normal, Amplitude bds. Vermindert (s. Abb. 2), cmrt: unauffällig. Die Visusminderung stand in Kontrast zu oberflächlich fehlendem Leidensdruck und im Krankenzimmer vermeintlich unauffälligem Verhalten (Fernsehschauen, Handynutzung). Die gezielte Anamnese allerdings ergab, dass der Patient zu Hause die Dinge dicht vor die Augen halten müsse und die Schule nicht mehr besucht habe. Unter dem V.a. eine Leber sche hereditäre Optikusneuropathie wurde nochmals gezielt auf eine Rot-Grün-Schwäche untersucht; rechtsseitig zeigte sich eine leichte Rot/Grün-Schwäche. Die Kombination aus einer initial einseitigen und rasch bds. schmerzlosen Visusminderung bei einem männlichen Jugendlichen, Entwicklung einer bislang einseitigen Rot-Grün-Schwäche, unauffälligen Befunden in Liquor und OCT, normaler P100-Latenzen in den VEP und fehlendem Ansprechen auf Cortison wies auf eine Leber sche hereditäre Optikusneuropathie (LHON) hin (11., 24.). Molekulargenetische Analyse im LHON-Gen (MTND6): mtdna Mutation m.14484t>c hom*oplasmisch. Therapie: Idebenone, Einschluss in die LHON-Studie (hochdosiert Idebenone), Neurologische Abteilung der LM Universität München (12., 17.). 4. Kasuistik Vor 4 Wochen beklagte die 16 2/12-jährige Patientin eine rechtsseitige Sehverschlechterung - Schleier vor dem Auge, zusätzliche Symptome: Kopfschmerz eher rechtsseitig, dumpf, diskrete Phonophobie. Visus: RA 0,16, LA 1,0; Primäre Diagnostik und Therapie in auswärtiger Augenklinik. Unauffälliges cmrt und unauffällige Echocardiografie, Laborparameter normwertig. Prednisolon H-Gabe über 3 Tage, hierunter Visusbesserung bis auf RA: 0,4. Nach 3 Wochen erneute Sehverschlechterung RA, Visus: RA 0,063, LA 1,0. Wiederholung Prednisolon H 1g über 5 Tage. Verlegung zur weiteren Diagnostik in unsere Klinik. VEP: Originalien/Übersichten Latenzen P100 normwertig bds., OCT nicht auswertbar. Liquor: unauffällig, OKB und MRZ negativ. ENA- und ANA- Screen, anti-ds-dna-ak, c-anca-ak: negativ. P-ANCA-AK: 11,1 U/ml (Norm 9), Kontrolle (IFT und Myeloperoxidase) unauffällig. Vitamin B12: Holotranscobalamin: 45pmol/l (>50), Kontrolle 20,0pmol/l; Vitamin B 12: 155pg/ml; Gastroskopie: C-Gastritis der Antrumschleimhaut. Diagnose: Optikusneuropathie bei Vitamin B 12-Mangel, aktuell kein Hinweis auf ein entzündliches Geschehen; unter Vitamin B 12- Substitution (1000μg Vitamin 2x/Woche i.m.) sowie Behandlung der Gastritis keine weiteren Probleme, im Verlauf unauffälliger Visus bds.. 5. Kasuistik 17 5/12-jähriger Junge mit schmerzfreier Sehstörung LA: Schleier vor dem LA mit Progression der Symptomatik. Nach 4 Tagen Beginn Sehverschlechterung RA, zusätzlich Cephalgien mittlerer Intensität und auffallende Müdigkeit. In der Vorgeschichte ist eine als ADEM diagnostizierte Episode vor 8 Jahren bemerkenswert: Meningismus, Bewusstseinänderung, Entwicklung einer Hemiparese und Blasenentleerungsstörung, im cmrt Läsionen supratentoriell, im spinalen MRT: langstreckige, KM-anreichernde Läsionen im Bereich HWS und BWS. Regredienz der Läsionen in den MRT-Kontrollen cranial und spinal im Beobachtungszeitraum über 2 Jahre. Der bei den nach 8 Jahren aufgetretenen Beschwerden erhobene augenärztliche Befund ergibt folgende Befunde: Papillenödem bds., V. a. Neuritis Nn. optici, Visus bds. ca 0,2. Vorstellung in unserer Klinik: OCT und Blitzlicht-VEP sind nicht auswertbar bei mangelhaftem Fixieren. Cranielles MRT: V.a. pathologische Signalanhebung Nn. optici bds. sowie insbesondere rechtsseitige KM-Aufnahme als Hinweis auf eine floride Entzündung. Im supratentoriellen Marklager Nachweis einer umschriebenen, im Vergleich zum Vorbefund gering grö- Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

24 Originalien/Übersichten ßenprogredienten Läsion. Spinales MRT: Nachweis mehrerer umschriebener fokaler Läsionen sowie einer langstreckigen Läsion über 3,5 4 Wirbelkörper-Segmente im HWS-Bereich ohne Hinweis auf Schrankenstörung (Abb. 3 a + b). Liquor: Status normal, OKB negativ und MRZ-Reaktion negativ. Immunologische Parameter: anti-aqp4- und anti-mog-ak negativ, Biochip-Mosaik mit Hirngewebe rekombinanter Zellen: negativ. Unter hochdosierter MP-Gabe (3 x 1g) Besserung der Symptomatik. Nach 14 Tagen Visus bds. 0,8, kein Papillenödem, VEP: Latenz P100 LA 132,5ms, RA 141,3ms (). OCT: bds. Faserschichtdicke vorwiegend unterhalb normaler Grenzen. Diagnose: Neuromyelitis Optica (NMO).Therapie-Einleitung mit GLAT; Disziplinen Augenärztliche Untersuchung Neurophysiologische Untersuchungen Bildgebung Neuroimmunologie Zusätzliche Diagnostik Tab. 2: Erweiterte Diagnostik hierunter Stabilisierung und bislang seit 1 ½ Jahren kein erneuter Schub, VEP nach 9 Monaten: P100 reduziert auf bds. 125ms. Bei den ambulanten Kontrollen jeweils anti-aqp4-ak negativ, Visus nach wie vor vermindert RA 0,8, LA 0,67; in der OCT bds. Nervenfaserdicke bds. vorwiegend unterhalb normaler Grenzen. Nach Transition in die neurologische Abteilung zeigte sich der anti- MOG-AK im Verlauf positiv bei weiterhin stabilem Verlauf. Diskussion Alle 5 Jugendlichen stellten sich mit einer Sehstörung vor. Bis auf einen Patienten (Kasuistik 5) waren alle Patienten primär augenärztlich vorstellig und wurden erst im Verlauf zugewiesen. Diagnostik Sehfeld, Augenhintergrund, Visus, Farbsehen VEP, OCT, ggf. weitere evozierte Potentiale (TCMS, SEP) cranielles MRT, ggf. spinales MRT Serum: Immunglobuline, Anti-AQP- 4-AK, Anti-MOG-AK Liquor: Immunglobuline, MRZ-Reaktion, OKB BSG, BGA, Laktat, C-reaktives Protein Vitamin B 12, Holotranscobalamin ANA-, ENA-Screen, ANCA, ACE, vwf OS/Urin Borrelien-IgG-, IgM-AK/Serum und EBV- Serologie, EBV-PCR/Liquor Liquor: Status, Lactat Genetik: LHON Abb. 3 a + b: Cranielles und spinales MRT, Kasuistik 5: supratentoriell 1 Herd; langstreckige Läsion im LWS- und HWS-Bereich; Die Symptomatik unterschied sich insbesondere in Dynamik (Kasuistik 3 (LHON) langsamer), Vorhandensein von Schmerzen (Kasuistik 2 (ON), 4 (Vitamin B 12-Mangel) und 5 (NMO)), Pathologie in der Bildgebung sowie Neurophysiologie. Als Standard in der (Basis-) Diagnostik haben sich augenärztlicher Befund, Liquoruntersuchung inklusive OKB und MRZ-Reaktion, Borrelien- Serologie, cmrt, VEP und OCT erwiesen. Bzgl. der Laboruntersuchungen sind BSG, anti-mog- und anti-aqp4-ak, ENAund ANA-Screen sowie bei gezieltem V.a. einen vaskulitischen Prozess der von- Willebrand-Faktor und der panca-ak wichtige Methoden, bzw. Items (Tab. 2). Wie die 4. Kasuistik (Vitamin B 12-Mangel) zeigt, kann die Erweiterung der Diagnostik um Stoffwechseluntersuchungen zielführend sein (5.). Hervorheben möchten wir die Tatsache, dass der Patient mit einer LHON wenig beeinträchtigt wirkte trotz des massiven, langsam progredienten Visusverlustes. Ebenfalls schien der hochpathologisch verminderte Visus (RA 0,1!, LA 0,4) im Gegensatz zum unauffälligen cmrt und normalen Latenzen in den VEP zu stehen. Bei allen Patienten wurden als erste therapeutische Maßnahme hochdosiert Glukokortikoide eingesetzt, unabhängig von der Fachdisziplin (Ophthalmologie oder Pädiatrie). Gemäß den Leitlinien der DGN ist nach Ausschluss eines infektiologischen Geschehens hochdosiert ein Glukokortikoid einzusetzen (i.allg. 20mg/ kg KG/die Methylprednisolon über 3-5 Tage): hierdurch lassen sich autoimmun getriggerte Optikusneuritiden meist gut behandeln, unabhängig von weiterer Ätiologie. Ein weiterer hochdosierter Glukokortikoid-Puls, evtl. unter Wechsel des Glukokortikoids ist bei ausbleibender Besserung nach 14 Tagen indiziert. Bei Nicht-Ansprechen auf Glukokortikoide ist neben der falschen Annahme eines Autoimmun-Prozesses (z. B. bei Vorliegen einer LHON) an einen echten Therapieversager zu denken. In einem solchen Fall ist zügig eine Eskalationstherapie in Form der Plasmapherese anzustreben (s. Kasuistik 2). Unsere Erfahrung mit der Plasmapherese in Zusammenhang mit Multipler Sklerose und/oder anderen neuro-immunologischen Prozessen ist gut. Schwerwiegende Nebenwirkungen sind bislang nicht aufgetreten. Für die Gabe von IVIg existiert keine belastbare Datenlage. Schwieriger ist bei autoimmunologischen Prozessen die Entscheidung für eine und wenn ja für welche Langzeittherapie. Pro Langzeittherapie sprechen Schweregrad und protrahierter Verlauf 132 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

25 einer Visusminderung, Glukokortikoid- Abhängigkeit oder/und Häufigkeit der Relapse. Bei einer ON mit mäßig gutem Ansprechen auf Glukokortikoide und/ oder Verschlechterung unter Reduktion dieser ist eine Langzeittherapie notwendig (2., 8.). Bei der Wahl der Therapie ist die zugrundeliegende Autoimmunerkrankung entscheidend. Falls, wie in Kasuistik 1, keine Ätiologie gefunden wird oder, wie in Kasuistik 2, erst im Verlauf (anti-mog-ak positiv) und es sich also um eine idiopathische oder um eine vermeintlich idiopathische relapsierende Optikusneuritis handelt, ist die Entscheidung schwierig. Zumindest existiert hier keine etablierte Vorgehensweise. Möglich ist eine Orientierung an die Leitlinien für die Behandlung der MS (6.). An Medikamenten stehen unterschiedliche Immuntherapeutika zur Verfügung: z. B. Azathioprin, Interferon-ß, Immunglobuline, Rituximab und Glatirameracetat. Neuere Daten belegen eine vorzugsweise B-Zell-vermittelte Pathogenese der isolierten Optikusneuritis bzw. der NMO (10., 13.). Eine aktuelle Arbeit zeigt bei schweren Verlaufsformen einen Behandlungseffekt mit Tocilizumab, einem Interleukin-6 spezifischen AK (1.). Interferon-ß verschlechtert eher den Verlauf der NMO, so dass bei Fehlen prädiktiver Faktoren für die Entwicklung einer MS wie Vorhandensein von OKB, einer positiven MRZ-Reaktion oder MS-typischer Pathologie in der cmrt Interferon-ß zur Behandlung der Neuritis N. optici vermieden werden sollte (6., 13.). Bei Pat. 2 diskutierten wir den Einsatz von GLAT aufgrund des günstigeren Nebenwirkungsprofils im Vergleich zu Azathioprin. Ein immunsuppressiver Effekt durch Azathioprin ist erst nach 2-3 Monaten zu erwarten, weshalb die Therapie unter Kortison eindosiert werden sollte. Das war bei unserer Patientin, die bereits unter einem leichten Cushing-Syndrom sehr litt, zusätzlich ungünstig. Zu Beginn der Therapie mit GLAT war die Assoziation zum anti-mog-ak nicht belegt. Der AK war erst nach 1 ¾ Jahren positiv. Ist eine immunmodulatorische Therapie etabliert, sollte die Behandlungsdauer selbst bei günstigem Verlauf in Anlehnung an die Empfehlungen der Behandlung einer MS mindestens 5 Jahre betragen. Eine eigene Entität ist die Neuromyelitis optica nach den 2006 von Wingerchuk aufgestellten Kriterien (Optikusneuritis, akute Myelitis + wenigstens ein Kriterium: langstreckige spinale MRT- Läsion über eine Länge von mind. 3 Wirbelkörpern oder zentrale Läsionen, welche nicht die Kriterien einer MS erfüllen oder anti-aquaporin-4-igg positiv) (21., 22.). Für die Therapie der NMO existieren mehrere Therapieempfehlungen (u.a. Azathioprin, Rituximab, Mycophenolat- Mofetil, Cyclophsphamid und Glatirameracetat), ohne dass eine bindende Leitlinie vorliegt (6., 13., 23.). Der Effekt eines Medikamentes ist hier anhand zumeist kleiner Fallzahlen dokumentiert. Bzgl. Glatirameracetat existieren wenige, aber positive Daten (3., 7.). In der Kasuistik 5 wird ein junger Mann beschrieben, der eine beidseitige Neuritis des N. opticus zeigt, im Halsmark eine sich über 3 WK erstreckende Läsion ohne Kontrastmittelanreicherung. Die OKB waren sowohl zum Zeitpunkt der vorangegangenen ADEM sowie im Verlauf negativ. Initial waren keine anti-aqp4- AK und anti-mog-ak nachweisbar. Im Verlauf ließen sich anti-mog-ak durch den aktuell sensitivsten Test nachweisen, nämlich in der Immunfluoreszenzanalyse, mit welcher an lebenden Zellen gebundene Antikörper detektiert werden können (Latenz von 10 Jahren nach ADEM bzw. von 2 Jahren nach Nn. optici bds.). Obschon die cmrt prinzipiell mit einer MS vereinbar war, ordneten wir den Verlauf trotz initial fehlendem Nachweis pathogener Antikörper der NMO zu, u.a. aufgrund der langstreckigen Beteiligung des Rückenmarks (4.). Anti-AQP4-AK sind in nur 80% der NMO-Patienten nachweisbar. Da die NMO-AK (=anti-aqp4- AK) spezifisch sind für Erkrankungen aus dem NMO-Spektrum, ist ihre Detektion beweisend. In manchen Fällen können sie nur im akuten Schub nachweisbar sein. Huppke (9.) beschrieb mehrere Kinder mit einer ADEM, der nach Jahren eine oder rezidivierende ON/ONs folgten. Diese Patienten waren alle von Beginn an anti-mog-ak-positiv, zeigten aber nur kurzstreckige Herde im Rückenmark. Huppke postulierte, dass es sich möglicherweise um eine eigene Entität handeln könne. Rostásy fasste die unterschiedlichen klinischen Bilder mit anti-mog- AK-Assoziation in einer Übersichtsarbeit 2013 zusammen (15.). Der anti-mog-ak hat sich in der Diagnostik entzündlicher Prozesse im Nervensystem etabliert (14.). Wünschenswert wäre eine Dokumentation dieser Patienten nach Transition in das Erwachsenenalter, um die Langzeitprognose besser einschätzen zu können. Zusätzlich würden Daten über Therapiealternativen in der Behandlung der ON/ NMO gewonnen. Originalien/Übersichten Zusammenfassend ist eine Sehstörung Symptom unterschiedlicher Krankheitsbilder. Basisdiagnostik (Tab.1 + 2) und gegebenenfalls spezifischere Untersuchungen (Tab.2) führen zu einer ätiologischen Einordnung bzw. zur Diagnose. Die zunehmenden Erkenntnisse über neuroimmunologische Prozesse und das Erfassen der Auto-AK ermöglichen es, eine suffizientere und differenzierte Behandlung zu etablieren, um so den Visus kurzfristig zu verbessern und langfristig - angesichts potentiell relapsierender ON zu erhalten. Kontrollen der Auto-AK können bei initial negativem AK-Profil im Verlauf unbedingt sinnvoll sein. Seltene Ursachen einer Visusminderung (z. B. Kasuistik 4) müssen differentialdiagnostisch bedacht werden. Literatur: 1. Ayzenberg I et al (2013) Interleukin 6 Receptor Blockade in Patients with Neuromyelitis Opticia nonresponsive to Anti-CD20-Therapy. JAMA Neurol 70 (3): Benoilid A (2013) Relapsing optic neuritis: a multicentre study. Mult Scler Oct Bergamaschi R (2003) Glatiramer acetate treatment in Devic`s neuromyelitis optica. Brain 126: e1 4. Bigi B and Banwell B (2012) Pediatric Multiple Sclerosis. J Child Neurol 27: Demling J et al (1984) Visusminderung als einziges klinisches Symptom eines Vitamin B 12 - Mangels: eine Kasuistik. Akt Neurol 11(1): DGN/KKNMS (Stand 4/2012) Leitlinie zur Diagnose und Therapie der multiplen Sklerose. AWMF-Leitlinien, online-version, Registriernummer 030/050: Gartzen K et al (2007) Relapsing neuromyelitis optica response to glatiramer acetate treatment. Eur J Neurol 14: e Hoorbakht H and Baherkashi F (2012) Optic Neuritis, its differential Diagnosis and Management. The Open Ophthalmology Journal 6: Huppke P et al (2013) Acute disseminated encephalomyelitis followed by recurrent or monophasic optic neuritis in pediatric patients. Mult Scler 19: Jarius S and Wildemann B (2013) The history of neuomyelitis optica. Journal Neuro Inflammation 10: 8 (1 12) 11. Kirches E (2011) LHON: Mitochondrial Mutations and More. Current Genomics 12: Klopstock T et al (2012) Therapiestudie mit Idebenon, LMU Klinikum der Universität München, Abteilung Neurologie 13. NEMOS (2011) Konsensusempfehlungen der Neuromyelitis optica Studiengruppe/NEMO: Diagnostik und Therapie der Neuromyelitis optica. Nervenarzt 6: Rostásy K (2013) Neuroinflammation update: new insights and future directions. Neuropediatrics 6: Rostásy K and Reindl M (2013): Role of antibodies in acquired inflammatory demyelinating diseases of the central nervous system in children. Neuropediatrics 6: Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

26 Originalien/Übersichten 16. Rubin J et al (2013) Diagnostic criteria for Pediatric Multiple Sclerosis. Curr Neurol Neurosci Rep 13: Rudolph et al (2012) Effects of Idebenone on Color Vision in Patients with Leber Hereditary Optic Neuropathy. J Neurol-Ophthalmol 0: Shams PN and Plant GT (2009): Optic Neuritis: A Review. The International MS Journal 16: Tardieu M and Deiva K (2013) Rare Inflammatory Diseases of the White Matter and Mimics of Multiple Sclerosis and Related. Neuropediatrics 44: Tibussek, D et al (2013) Klinik, Diagnostik und Therapie der idiopathischen intrakraniellen Hypertension im Kindesalter. Ein update. Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 2: Wingerchuk D et al (2006) Revised diagnostic criteria for neuromyelitis optica. Neurology 66: Wingerchuk D et al (2007) The spectrum of neuromyelitis optica. Neurology the lancet 6: Wingerchuk D (2013) Neuromyelitis optica: Potential Roles for Intravenous Immunglobulin. J Clin Immunol 33 (Suppl 1): Yu-wai-Man P et al (2013) Leber Hereditary Optic Neuropathy; Gene Reviews (Internet), initial posting: October 26, 2000, Last update: September 19, 2013 Korrespondenzadresse: Dr. med. Charlotte Thiels Abteilung für Neuropädiatrie und Sozialmedizin Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin der Ruhr-Universität- Bochum St. Josef-Hospital Alexandrinenstr Bochum charlotte.thiels@rub.de Interessenkonflikt Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Hinweise für die Autoren I. Allgemeines Die Zeitschrift Neuropädiatrie in Klinik und Praxis veröffentlicht sowohl von den Herausgebern angeforderte als auch unaufgefordert eingereichte Manuskripte über alle Themen der Neurologie des Kindes- und Jugendalters und ihrer Grenzgebiete. Die Publikationssprache ist deutsch und englisch. Die Manuskripte dürfen andernorts nicht publiziert oder zur Drucklegung angeboten sein. Die Zeitschrift und alle in ihr erhaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Dies gilt ins be sondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Den Autoren stehen PDF-Dateien ihrer Arbeiten kostenfrei zur Verfügung. II. Einreichung der Manuskripte Alle Manuskripte (per im System Microsoft Word), einschl. Tabellen, Fotos und andere Bildvorlagen sind nach vorheriger Rücksprache mit den Herausgebern zu richten an: Verlag Schmidt-Römhild, Redaktion Neuropädiatrie Christiane Daub-Gaskow Kronprinzenstr Essen Tel.: 0201/ neuropaediatrie@beleke.de III. Gestaltung der Manuskripte Manuskripte werden nur akzeptiert, wenn sie der folgenden Gliederung entsprechen: Titelblatt: Titel des Manuskriptes, Namen der Autoren (mit Initialen der Vornamen), Klinik/ Institutsangaben und ggf. Danksagungen. Zusammenfassung: In deutscher und englischer Sprache mit Schlüsselwörtern und Key words. Titel des Manuskriptes in englischer und deutscher Sprache. Text bei Originalarbeiten und Kasuistiken: Einleitung, Patienten/Methodik, Ergebnisse, Diskussion, Literatur, Ad ressen der Autoren, , Telefon- und Fax-Verbindung des federführenden Autors, Tabellen und Legenden zu den Abbildungen. Abbildungen und Tabellen: Die Abbildungen sind arabisch zu nummerieren und vom Text getrennt zu halten. Die Legenden sind auf gesonderten Blättern aufzuführen. Alle Abbildungsvorlagen sind auf der Rückseite mit dem Namen des Erst-Autors sowie oben und unten zu bezeichnen. Der Autor ist verantwortlich, dass die Reproduktion von Abbildungen, auf denen ein Patient erkennbar ist, vom Dargestellten bzw. dessen gesetzlichem Vertreter genehmigt worden ist. Auch die Tabellen sind arabisch zu nummerieren. Jede Tabelle muss eine kurze erklärende Unterschrift enthalten. IV. Texterstellung Der gesamte Text, einschl. Literaturverzeichnis, Tabellen und Abbildungslegenden, ist auf DIN-A4-Papier, einseitig geschrieben, 1- oder 2-zeilig mit maximal 30 Zeilen je Seite, einzureichen. Der linke Rand soll 3 cm betragen. Die im Text zitierten Arbeiten sind nach dem jeweils ersten Autorennamen alphabetisch anzuordnen und arabisch durchzunumerieren. Im Text sind nur die Zitatnummern in Klammern zu verwenden. Beispiele für das Zitieren: Zeitschriften: Sassen R, Kuczaty S, Lendt M et al. (2001) Epilepsiechirurgie im Kindes- und Jugendalter. Monatsschr Kinderheilkd 149: Bücher: Gross-Selbeck G, Boenigk HE (2000) Diagnostische und therapeutische Prinzipien bei Epilepsien im Kindesalter. Leitlinien Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Urban & Fischer, München, Jena Buchbeiträge: Elger CE, Kurthen M (1999) Predicting surgical outcome in epilepsy: how good are we? In: Schmidt D, Schachter SC (eds) Epilepsy problems solving in clinical practice. Martin Dunitz, London, pp V. Manuskripte Verwenden Sie möglichst weit verbreitete Textverarbeitungsprogramme (z. B. Microsoft Word). Speichern Sie Tabellen, Abbildungen und Grafiken als separate Dateien und binden Sie diese nicht in den Text ein. Folgende Dateiformate können dabei verwendet werden: *.ppt, *xls, *.eps, *tif, *jpg, *wmf, *cdr und *ai. Pixelorientierte Abbildungen sind mit folgenden Auflösungen zu speichern: Graustufenbilder: 150 dpi, Farbbilder: 300 dpi, Strich: 1000 dpi. Wenn Sie an einem regelmäßigen Bezug der Zeitschrift Neuropädiatrie in Klinik und Praxis interessiert sind, dann bedienen Sie sich des Bestellcoupons auf Seite 150 oder rufen uns einfach an. Abo-Service: Telefon 04 51/ , Fax 04 51/ Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

27 Ich habe ADHS. Und ich habe was dagegen. 8:30 UHR** 14:00 UHR** 20:00 UHR** Elvanse verbessert die ADHS- Kernsymptomatik signifikant und besitzt eine nachgewiesene Wirkdauer von 13 Stunden nach Einnahme.* 1 Mehr über Elvanse sowie weitere Informationen zu ADHS finden Sie unter: Bitte lesen Sie vor der Verordnung von Elvanse die Fach- und Gebrauchsinformation, insbesondere bezüglich kardiovaskulärer oder psychiatrischer unerwünschter Ereignisse, Tics, langfristiger Unterdrückung des Wachstums (Längenwachstum und Gewicht), Krampfanfällen, Sehstörungen, Verordnung und Abgabe sowie Anwendung zusammen mit anderen Sympathomimetika. * Untersucht bei Kindern im Alter von 6 12 Jahren. ** Bei Einnahme um 7:00 Uhr. 1 Elvanse Fachinformation, Stand Dezember 2013 GUT DURCH DEN TAG TROTZ ADHS Dieses Arzneimittel unterliegt einer zusätzlichen Überwachung. Dies ermöglicht eine schnelle Identifizierung neuer Erkenntnisse über die Sicherheit. Angehörige von Gesundheitsberufen sind aufgefordert, jeden Verdachtsfall einer Nebenwirkung zu melden. Hinweise zur Meldung von Nebenwirkungen, siehe Abschnitt 4.8 der Fachinformation. Elvanse 30 mg/50 mg/ 70 mg Hartkapseln Wirkstoff: Lisdexamfetamindimesilat. Zusammensetzung: 30/50/70 mg Lisdexamfetamindimesilat, entspr. 8,9/14,8/20,8 mg Dexamfetamin. Sonstige Bestandteile: Mikrokristalline Cellulose, Croscarmellose-Natrium, Magnesiumstearat, Gelatine, Titandioxid, schwarze Drucktinte (Schellack, Eisen(II,III)-oxid). Zusätzl. Erythrosin (Elvanse 30/70 mg), Brillantblau (Elvanse 50/70 mg). Anwendungsgebiet: Im Rahmen einer therapeut. Gesamtstrategie zur Behandl. von ADHS bei Kindern ab einem Alter von 6 Jahren indiziert, wenn das Ansprechen auf eine zuvor erhaltene Behandlung mit Methylphenidat als klinisch unzureichend angesehen wird. Behandlung durch Spezialisten. Diagnose nach DSM-IV o. ICD-10. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit geg. Wirkstoff, sympathomimetische Amine o. sonst. Bestandteile; kürzliche o. laufende Einnahme v. MAO-Inhibitoren; Hyperthyreose, Thyreotoxikose; Erregungszustände; symptomat. Herz-Kreislauf-Erkrankung; fortgeschrittene Arteriosklerose; mittelschwere bis schwere Hypertonie; Glaukom. Nebenwirkungen: Sehr häufig ( 1/10): Verminderter Appetit, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Oberbauchschmerzen, Gewichtsabnahme. Häufig ( 1/100 bis <1/10): Anorexie, Agitiertheit, Angst, Libido vermindert, Tic, Affektlabilität, psychom*otorische Hyperaktivität, Aggression, Schwindel, Unruhe, Tremor, Somnolenz, Mydriasis, Tachykardie, Palpitationen, Dyspnoe, Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Hyperhidrose, Hautausschlag, erektile Dysfunktion, Reizbarkeit, Müdigkeit, Zerfahrenheit, Fieber, Blutdruckanstieg. Gelegentlich ( 1/1000 bis <1/100): Überempfindlichkeit, Logorrhoe, Depression, Dysphorie, Euphorie, Dermatillomanie, Manie, Halluzinationen, Dyskinesie, verschwommenes Sehen, Urtikaria. Nicht bekannt: Anaphylaktische Reaktion, psychotische Episoden, Krampfanfall, Kardiomyopathie, eosinophile Hepatitis, Angioödem, Stevens-Johnson-Syndrom. Wechselwirkung, Dosierung: s. Fach- u. Gebrauchsinformation. Verschreibungspflichtig, BtM. Stand der Fachinformation: Dezember 2013, Shire Pharmaceutical Contracts Ltd., Basingstoke, Vereinigtes Königreich. Örtlicher Vertreter: Shire Deutschland GmbH, Berlin. Hinweise für Verordner: Elvanse ist im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie zur Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störungen (ADHS) bei Kindern ab einem Alter von 6 Jahren indiziert, wenn das Ansprechen auf eine zuvor erhaltene Behandlung mit Methylphenidat als klinisch unzureichend angesehen wird. Eine Behandlung mit Elvanse ist nicht bei allen Kindern mit ADHS indiziert, und der Entscheidung zur Anwendung dieses Arzneimittels muss eine sehr sorgfältige Einschätzung der Schwere und Chronizität der Symptome des Kindes in Bezug auf sein Alter sowie des Potenzials für Missbrauch, Fehlgebrauch oder Zweckentfremdung vorausgehen.

28 Originalien/Übersichten Das A ist rot: Von vermischten Sinnen. Eine kleine Übersicht zur Synästhesie M. ZEDLER Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, Hannover, Deutschland Zusammenfassung Synästhesie ist eine gesunde Normvariante menschlichen Bewusstseins und tritt bei ca. 5 % der Bevölkerung als Kopplung von Sinnesqualitäten auf, die in der Regel mit deutlich mehr kognitiven und seelischen Vorteilen als mit Beeinträchtigungen einhergeht. Auf vielleicht über 150 mögliche verschiedene Arten (6, 7) sind Sinne (auch im weiteren Sinne) bei der Synästhesie miteinander verschmolzen. In den meisten Fällen werden die Verknüpfungen sprachlich getriggert. Z.B. löst das Hören eines Buchstaben in vielen Fällen das Sehen einer Farbe aus. Genetische Untersuchungen zeigen bei eindeutigen familiären Häufungen signifikante aber recht heterogene Hotspots auf und deuten auf eine Spielart der Evolution hin. Bei Erwachsenen erfreut sich die Erforschung der neurophysiologischen Grundlagen des gesunden Phänomens breiter wissenschaftlicher Aufmerksamkeit, auch als Paradigma für die Bewusstseinsforschung. Bei Kindern und Jugendlichen stehen trotz eines auffällig häufigen Vorkommens der Synästhesie in diesem Lebensabschnitt bislang kaum Daten zur Verfügung. Die vorliegende kurze Übersicht soll die Leser für die Synästhesie sensibilisieren sowie eigene Erfahrungen mit jungen Synästhetikern und deren Familien aufzeigen. Schlüsselwörter Synästhesie, Farbenhören, Personifikation, Bewußtsein, kindliche Entwicklung, Genetik. The A is Red: Of Mixed Senses. A Short Review on Synaesthesia Abstract Synaesthesia is a healthy variant of human consciousness and occurs in apprx. 5 % of the population as a coupling of senses. It is usually accompanied with significantly more cognitive and emotional advantages than disadvantages (41). In the meaning of synaesthesia senses are merged with each other in perhaps over 150 possible different forms of synaesthesia (6, 7). In most cases synaesthesia is triggered by speech. E.g. hearing a letter often elicits seeing a colour. Genetical investigations have shown clear familiar clustering as a suggestion for an evolutionary variety, but a quite strong heterogeneity in the hotspots. In adults, exploring the neurophysiological basis of this common phenomenon enjoys broad scientific attention as a paradigm for the study of consciousness. Despite a conspicuous frequent occurrence in children and adolescents, synesthesia in this period of life has hardly data. This brief review should the reader aware of synaesthesia and show own experiences with young synaesthetes and their families. Keywords synaesthesia, coloured hearing, personification, consciousness, child development, genetics. Bibliography Neuropaediatrie 2012; 11: , Schmidt-Roemhild-Verlag, Luebeck, Germany: ISSN ; NLM ID ; OCoLc Einleitung Dass es sich bei der Synästhesie nicht um bloße Einbildung, sondern um ein neurologisches Phänomen bei Gesunden handelt, wurde seit der Erstbeschreibung durch Sachs im Jahre 1812 (16) bereits hinreichend durch neuropsychologische (1, 15, 27, 47, 48, 50) und neuroradiologische Arbeiten (14, 28, 30, 35, 36) belegt. Wahrnehmungsstörung ist dennoch ein häufiger mit der Synästhesie fälschlicherweise rasch assoziierter Begriff. Wenn besorgte Eltern berichten, ihr Kind sehe Buchstaben und Wochentage in eindeutigen Farben oder erlebe gar Zahlen als Wesen mit Persönlichkeitseigenschaften wie zutraulich, heimtückisch, sportlich oder unbeteiligt (40, 45), dann begegnen sie nicht selten einer anfänglichen Besorgnis oder gar Ratlosigkeit auch unter Fachleuten. Besorgnis, Ratlosigkeit und unter Umständen auch soziale Isolation oder gar Stigmatisierung lösen Leidensdruck auch bei den Betroffenen aus, die mit dem Gefühl leben, Normen nicht erfüllen zu können und nicht verstanden zu werden (52). Das Missverständnis einer pathologisierten Synästhesie ist überflüssig und vermeidbar. Synästhesie ist ein Phänomen menschlichen Bewusstseins, das häufig erst im Erwachsenenalter auffällt, indem der Betroffene merkt, dass seine Mitmenschen die Welt anders wahrnehmen. Das kann plötzlich am Frühstückstisch sein, wenn Wochentage selbstverständlich mit Farben verbunden werden oder die Marmelade nach einer anderen Farbe schmeckt als sie aussieht. Diese erstmalige Erfahrung kann am Anfang in einem Identitätsprozess zu einem gewissen Gefühl von Einsamkeit führen, wenn einem in besonderer Weise bewusst wird, dass niemand exakt dieselbe Synästhesie hat wie man selbst und niemand die eigene Wahrnehmungswelt vollständig teilen kann (10, 11, 19). Vergleichbar mit dem Begriff der Qualia, die verborgen bleiben, weil niemand wissen kann, wie es ist, der andere zu sein, erlebt jeder Synästhetiker seine ganz eigenen Codes von Verknüpfungen, wie z. B. bei einem Graphem-Farb-Synästhetiker ganz eigene Farb-Zeichen-Schemata, die sich zwar in gewisser Weise häufen, aber im Ganzen doch hoch individuell sind (32). Für den einen ist das A rot, für den anderen kann es blau sein usw. Entlastend ist die Erkenntnis, dass man zwar anders ist, aber nicht krank, vielmehr eine Synästhesie häufig mit positiven weiteren Eigenschaften assoziiert ist. Verstanden zu werden, stellt sich hingegen als oft zentrales Bedürfnis von Synästhetikern heraus, die einmal mit dem Thema konfrontiert (19), oft stetig auf Veranstaltungen wiederzutreffen sind, wo sich Forschung, Kunst und Philosophie mit ihrer Bewusstseinsform auseinander- 136 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

29 setzen. Hierbei sind Synästhetiker selbst oft weniger von neurobiologischen Detailfragen beeindruckt als vielmehr daran interessiert, in ihrer oft über die Synästhesie hinausgehenden Lebensform von einer Welt verstanden zu werden, in deren Kulturen es unumstößlich scheint, dass ein schwarzer Buchstabe als nichts weiteres als ein schwarzer Buchstabe wahrgenommen werden darf. Wie langweilig muss das sein für jemanden, der keine Synästhesie hat, wird nicht selten von Synästhetikern selbst postuliert. Merkmale der Synästhesie Synästhetiker erleben das, was sie in einer Sinnesqualität wahrnehmen, gleichzeitig in anderen Sinnesqualitäten, wobei sich Synästhesien nicht nur auf die biologischen Sinne (im engeren Sinne) beschränken können. Es handelt sich um eine integrative intermodale Wahrnehmung (12), die so als normal empfunden wird. Sie wird in der Regel als lebenslang erinnert, bleibt hoch konsistent in ihren Verknüpfungen und verändert sich in der Regel allenfalls bei hormonellen Exzessen wie z. B. einer Schwangerschaft oder unter psychotropen Substanzen. Die häufigste und am besten untersuchte Art der Synästhesie ist die Verknüpfung von Graphemen mit Farben (7). Berichtet werden Verknüpfungen zwischen allen Sinnen, häufig unidirektional, d. h. zum Beispiel zu einem Ton wird eine Farbe gesehen, aber nicht umgekehrt auch zu derselben Farbe derselbe Ton gehört. Aber auch bidirektionale Verknüpfungen sind möglich (4, 5). Zahlen, Buchstaben und beispielweise Wochentage werden oft nicht nur mit Farben und geometrischen Figuren verknüpft, sondern können auch in räumlichen Anordnungen oder Sequenzen erscheinen (49), und diese können sich dazu noch bewegen (11). Der Begriff der Synästhesie wird von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen nicht ganz identisch verwendet. Während in der Literatur unter Synästhesie häufig mehr metaphorische Phänomene verstanden werden (11), ist aus neurowissenschaftlicher Sicht die Synästhesie eher nicht metaphorisch, wie z. B. kaltes Blau oder warmes Rot, sondern in der Regel ohne inhaltliche Zusammenhänge, aber mit einer Konsistenz der Verknüpfungen von % bei Erwachsenen verbunden (9, 33, 38, 42, 43, 44, 51). Unter siebenjährigen Kindern weisen Synästhetiker allerdings erst % konsistente Farben für Buchstaben und Zahlen auf (39, 41). Nicht selten liegen bei einem Synästhetiker zahlreiche Verknüpfungen vor, die auch aus Emotionen und Sinneswahrnehmungen bestehen können. Lange galt die sog. Gefühlssynästhesie als eine Randgruppenerscheinung, hauptsächlich weil sie sich weniger gut reproduzieren lässt. Zum traditionellen Konzept der Gefühlssynästhesie (11) beschäftigen sich aktuelle Arbeiten mit den Faktoren sozialen Erlebens innerhalb der synästhetischen Verknüpfungen. So gibt es Synästhesien, bei denen z. B. der Eindruck über den Charakter einer Person in Farben gesehen wird und Farben hier als verlässliche Orientierungshilfe dienen können (8, 37, 54). Umgekehrt können z. B. Zahlen, Buchstaben, Wörter, aber auch Farben oder Töne mit Persönlichkeiten ausgestattet sein und auch ein charakterliches Verhalten an den Tag legen (40). Die Personifikation von z. B. Symbolen stellt einen heraustretenden Grund elterlicher Besorgnis für die Vorstellung in der psychiatrischen Sprechstunde vor, während das Phänomen bislang in keiner Weise ein mit dem Phänomen verbundenes Risiko für die Entwicklung psychischer Störungen verbunden ist, ausgenommen die Folgen unverhältnismäßiger Besorgnis oder gar Ausgrenzung eines Kindes wegen seiner Synästhesie (52). Erklärungsmodelle Die Konzepte für die Synästhesie reichen vom sog. Hyperbinding (12) im Sinne eines verstärkten bindings, das als eine Grundfunktion für die intermodale Integration menschlichen Bewusstseins angenommen wird, und der Neugeborenen-Theorie (22, 23, 24, 25), in der bei der Synästhesie von einem Relikt aus frühester Kindheit ausgegangen wird, d. h. die Hyperkonnektivität des Neugeborenen-Gehirns (vgl. Panästhesie, 12) sich nicht wie üblich zurückgebildet hat; bis zur Kreuzaktivierung benachbarter oder funktional nahe liegender cerebraler Sinnesareale (16, 31) und verschiedener Modelle fehlender Hemmfunktionen, z. B. dem sog. Disinhibited-feedback-Modell (14). Die Konzepte schließen einander nicht gegenseitig aus. Genetik Weil beobachtet werden konnte, dass es in sehr vielen Familien mehrere Synästhetiker gibt, wurde früh von einer Erblichkeit der Synästhesie ausgegangen (11). Sie lässt sich nicht erlernen. So versprach man sich von genetischen Analysen, das Phänomen besser erklären zu können und versuchte, genetische Kopplungen (linkages) zu identifizieren, die mit dem Phänotyp der Synästhesie verbunden sind, idealerweise an Orten, Originalien/Übersichten die bereits aus anderen neurogenetischen Untersuchungen bekannt sind und Verbindungen herstellen könnten zwischen dem Phänomen der Synästhesie und anderen Phänomenen bzw. (Hirn-) funktionen. Es zeigte sich jedoch in den untersuchten Gruppen eine komplexe genetische Heterogenität. Asher (2) untersuchte 196 Personen aus 43 Familien, darunter 121 Synästhetiker, und fand Kopplungen auf dem Chromosom 2q und höchstwahrscheinliche Kopplungen auf den Chromosomen 5q, 6p und 12p, während im Eagleman Labor (Houston) Steffie Tomson (46) in zwei von fünf Familien (n=48) Kopplungen im Bereich des Chromosoms 16q beschrieben werden konnten. Die Vererbbarkeit der Synästhesie oder einer Hyperkonnektivität oder einer anderen der Synästhesie zugrundeliegenden neuropsychologischen Eigenschaft wird durch die genetischen Untersuchungen gestützt, aber eine genetische Diagnostik oder eine Erklärung der Funktionsweise der Synästhesie über genetische Verknüpfungen ist bislang nicht gelungen, vielmehr an ihrer komplexen Heterogenität zunächst gescheitert. Diagnostik Wie lässt sich Synästhesie feststellen? Am eindrucksvollsten beweist die funktionelle Magnetresonanztomographie (fmrt), dass tatsächlich verschiedene Sinnesqualitäten miteinander verknüpft sind. Man kann dem Synästhetiker z. B. einen Kopfhörer aufsetzen und den Raum verdunkeln. Wenn Töne jetzt Farbensehen auslösen, sieht man bei der Synästhesie tatsächlich erhöhte Aktivität nicht nur im Hörzentrum, sondern auch im Sehzentrum (28). Im praktischen Alltag bedarf die Synästhesie eigentlich keiner aufwendigen Beweis-Diagnostik, nicht nur weil es keine Krankheit ist, sondern auch, weil es eigentlich selten Grund zum Zweifel an den Angaben von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gibt. Nicht ganz übersehbar sind allenfalls Bemühungen, nicht selten auch von Eltern, tatsächliche Störungen mit der vermeintlichen Erklärung, es handele sich um Synästhesie, in Zweifel zu ziehen, wenn eine Diagnose mit Stigmatisierungspotential oder ungünstiger Prognose, aus welchen Gründen auch immer, vermieden werden soll. Für wissenschaftliche Studien wird überwiegend anhand der Konsistenz der Verknüpfungen festgestellt, ob es sich wirklich um genuine Synästhesie handelt, z. B. im sog. Test of Genuiness (1, 3). Für Graphem-Farb-Synästhesien, bei denen Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

30 Originalien/Übersichten Abb. 1: Aus 71 beantworteten Fragebögen, in denen zu Buchstaben frei synästhetisch erlebte Farben angegeben werden konnten, wurden die Farben 11 Gruppen zugeordnet und ausgewertet. Die Größe der Tortenstücke bildet die Häufigkeit der überwiegend verknüpften Farbe(n) ab. Die deutlichsten Häufungen ergaben sich bei den Buchstaben A, I, K, R, S, V und X. Wurden zwei Farben auffällig oft genannt, so ist das grafisch berücksichtigt. Aber Vorsicht: Die Statistik sagt nichts über die Originalität einer Synästhesie aus. Auch alle denkbaren anderen Farbkombinationen sind möglich. das Lesen, Hören, Sprechen oder Denken von Buchstaben, Zahlen oder Wörtern synästhetische Wahrnehmung von Farben auslösen, bedeutet das, wenn der Buchstabe A einmal mit Rot verknüpft wird, so wird bei erneuter Nachfrage nach Wochen oder Monaten das A rot bleiben. Es gibt naturalistische Befragungen aber auch Tests, in denen Farben computergestützt zu den Graphemen zugeordnet werden können. Eigene Untersuchungen ergaben signifikante interindividuelle Häufungen von Verknüpfung bestimmter Farbgruppen zu einigen Buchstaben (vgl. Abb. 1), wobei nicht vergessen werden sollte, dass eigentlich Heterogenität ein herausstechendes Merkmal der synästhetischen Verknüpfungen ist. Bei der ersten Präsentation der Farbskala auf einem Kongress gab es empörte Zwischenrufe, dass das A doch nicht rot sei sondern blau, während andere Zuhörer sich erleichtert in manchen Zuordnungen wiederfanden. Offenbar wurde auch, dass von den Synästhetikern selbst bereits aus eigener Erfahrung im Kontakt mit anderen Synästhetikern eher mit gar keinen Übereinstimmungen gerechnet wurde. Die Erfahrung aus der eigenen Beratung von Synästhetikern zeigt, dass Synästhesie natürlich nicht vor Lebensschicksalen schützen, wohl aber bei deren Bewältigung außerordentlich hilfreich sein kann, solange sie nicht mißverstandenerweise zu unterdrücken versucht wird, ähnlich wie bei der Umerziehung von Linkshändern zu Rechtshändern. Nahe liegend lässt sich der Vorteil in der Pluralität vermuten. Psychische Störungen, die z. B. mit einer Gehemmtheit im Denken und im Fühlen einhergehen, werden meist mit einem breit gefächerten Angebot an Therapien behandelt. Zumindest ergotherapeutische, physio-, sozio-, musik-, kunst- und gesprächstherapeutische Angebote zählen meist zu einem stationären psychotherapeutischen Behandlungsplan, so dass verschiedenste mentale Facetten angesprochen werden. Ein Synästhetiker lebt bereits mit einer Vielzahl an Verknüpfungen, die bereits an sich eine Entwicklung aus festgefahrenen emotionalen Denkmustern begünstigen. Vorteile, die sich aus der Synästhesie ergeben, sind von besonderem Interesse und Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Was können wir von der Synästhesie lernen? Nicht nur zum besseren Verständnis der Funktion des menschlichen Bewusstseins im Sinne einer Grundlagenforschung, sondern auch therapeutisch können voraussichtlich synästhetische Eigenschaften genutzt werden, wofür weitere Untersuchungen dringend erforderlich sind. Synästhesie als Vorteil Es ist unumstritten, dass mit der Synästhesie erhebliche Vorteile verbunden sein können. Es gibt Gedächtniskünstler, die mit Hilfe der Verknüpfungen auch nach langer Zeit enorme Zahlenreihen wiederholen können (20). Nicht nur aus der Bauhaus-Bewegung sind Künstler wie Kandinsky bekannt, die mit der Synästhesie begabt waren. Unter Kunststudenten in der Schweiz fand man eine deutliche Häufung von Synästhetikern. Gesteigerte Kreativität wird mit der Synästhesie in Verbindung gebracht. Erwachsene Frauen haben ein intensiveres Gefühlserleben in der Sexualität (26). Nachteile können sich ergeben, wenn Farben und Zahlen nicht zueinanderpassen. Messungen ergaben zwar in der Bewältigung von Rechenaufgaben Verzögerungen von 500 ms im Vergleich zu Nicht- Synästhetikern, aber keine Unterschiede in der Exaktheit der Ergebnisse (49). Deutlich wird die Bedeutung der Kongruenz in Versuchen, Kindern Zahlen in verschiedenen Farben zu präsentieren. Zahlen in den richtigen Farben wurden wesentlich häufiger erinnert, als Zahlen in Farben, die mit den synästhetischen Farben im Konflikt standen (13). Das Erlernen fremder Sprachen kann erleichtert sein, aber auch verzögert werden durch die festen Kopplungen von Buchstaben, Lauten, Wörtern und Farben in der Muttersprache. Von Synästhetikern werden weitaus mehr Vorteile durch die Synästhesie berichtet, von denen erst wenige hinreichend untersucht wurden, als Nachteile. Die Rekrutierung von Probanden für eine eigene geplante Studie, in der die Synästhesie vorübergehend durch transkranielle Magnetstimulation unterdrückt werden sollte, wurde erheblich dadurch erschwert, dass niemand auf seine Synästhesie verzichten mochte. Empfehlungen Grundlegende Entlastung für junge und alte Synästhetiker sowie deren Familien bringt zunächst die sachliche Aufklärung. Von Bedeutung hierbei ist die nachweisliche Existenz des Phänomens. Ernstgenommen zu werden, gehört zu den Grundbedürfnissen kindlicher Identitätsentwicklung und gelingt nicht selten erst durch den Kontakt mit anderen Synästhetikern oder der Auseinandersetzung mit dem Kenntnisstand über die Synästhesie. Versuche, sie zu unterdrücken, entbehren in der Regel einer Notwendigkeit, werden kaum gelingen, sondern können vielmehr zu Entwicklungsstörungen führen. Es kann zur Entwicklung eines synästhetischen Kindes gehören, dass es sich der Fülle seiner Wahrnehmungen in besonderer Weise bewusst wird. Sich von der Vermischung der Sinne überfordert zu fühlen, kann ein Hinweis auf einen Akzeptanz-Konflikt im Umfeld sein. Überforderungsgefühle und Erschöpfung können in der Jugend vorkommen und sind in der Regel passager, konnten aber auch in der Beratung vielfach durch Aufklärung der Bezugspersonen überwun- 138 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

31 den werden, wenn sie die Synästhesie und das Kind mit seiner Andersartigkeit akzeptieren oder sogar ihre Faszination an den Eigenschaften des Kindes zulassen konnten. Man sagt, lasst die Kinder Kinder sein. Auch Synästhesie mag zugelassen werden und kann so zu einem hilfreichen Begleiter für Kinder oder Jugendliche in ihrem Identitätsprozess werden, um sich im Leben und der Welt zu orientieren (8). Die Aufmerksamkeit unter Lehrern gegenüber dem Thema der Synästhesie ist eher gering. Erfahrungsgemäß sind viele Erzieher sehr dankbar für Informationen, mit denen sie besser auf die Kinder und ihre individuellen Bedürfnisse eingehen können. Es kann hilfreich sein, aktuelle Artikel oder Bücher zur Verfügung zu stellen, über die sich das Lehrpersonal informieren kann. Manchmal sind ein Vortrag der Eltern in der Schule oder ein Referat des Kindes im Unterricht sinnvoll, wenn die Lehrer bereits eingedacht sind. Zahlreiche Pädagogen nutzen Synästhesie in der Erziehung und lassen die Sinnesverknüpfungen aktiv zu, lassen in vielfachen Ideen z. B. Kinder einen Geschmack malen, einen Geruch auf einem Instrument spielen usw. Ausblick Unter der Hypothese einer Hyperkonnektivität des Gehirns (54) kann Synästhesie als ein Merkmal unter vielen verstanden werden, das aber nicht immer so eindeutig aufzutreten braucht. Es gibt zahlreiche Resonanz auf die Erkenntnisse aus der Erforschung der Synästhesie, in der sich Personen zwar wiederfinden, ohne aber dass sie einen Konsistenztest bestehen würden, was als Hinweis gewertet wird, dass es sich bei der Synästhesie um die Spitze eines Eisbergs von gesunden Normvarianten des Bewusstseins handelt, denen am ehesten gleiche Mechanismen zugrunde liegen und die als Lehrstück für Nichtreproduzierbarkeiten einem neurowissenschaftlichen Hyperreduktionismus heilsam entgegenwirken (11). Streng genommen bleibt das menschliche Bewusstsein im Ganzen ein Rätsel, genauso wie die Synästhesie, die um so weniger verdient, voreilig als Defizit missverstanden zu werden. Literatur 1. Asher JE, Aitken MRF, Farooqi N et al. (2006) Diagnosing and phenotyping visual synaesthesia: a preliminary evaluation of the revised test of genuiness (TOG-R). Cortex 42: Asher JE, Lamb JA, Brocklebank D et al. (2009) A whole-genome scan and fine-mapping linkage study of auditory-visual synesthesia reveals evidence of linkage to chromosomes 2q24, 5q33, 6p12, and 12p12. Am J Hum Gen 84: Baron-Cohen S., Burt L., Smith-Laittan, F. et al. (1996) Synaesthesia: prevalence and familiarity. Perception 25: Brugger P, Knoch D, Mohr C et al. (2004) Is digit-colour synaesthesia strictly unidirectional? Preliminary evidence for an implicity colored number space in three synaesthetes. Acta Neuropsychol 2: Cohen Kadosh R, Cohen Kadosh K, Henik A. 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Harvard University Press, Cambridge, MA 21. Maechler MJ. (2012) Synaesthesia. Children. kinder 22. Maurer D. (1993) Neonatal synesthesia: implications for the processing of speech and faces. In: Originalien/Übersichten Anregungen zum Umgang mit Synästhesie bei Kindern und Jugendlichen (41) Dem Kind helfen, seine Synästhesie auszuleben. Bestärken Sie das Kind in den Vorteilen der Synästhesie. Machen Sie klar, dass es sich um eine Begabung und nicht um eine Behinderung handelt. Geben Sie dem synästhetischen Erleben seinen Raum, lassen es als normal zu, auch als Vorlage für Familie und Freunde. Gemeinschaft fördern. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, dem Kind aber auch den Eltern Kontakte zu anderen Synästhetikern herzustellen. Ein wichtiger Faktor in der Entwicklung ist Dazugehörigkeit. Lassen Sie es nicht zur Ausgrenzung kommen. Es gibt Vereine und Foren. Der Kontakt wirkt sich in den meisten Fällen sehr positiv aus. Synästhesien in der Familie erkunden. Es kann ganz besonders hilfreich sein, innerhalb der Familie eines Kindes mit Synästhesie nach anderen Synästhetikern zu suchen. Synästhesie ist ein hereditäres Phänomen. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden hier Familienmitglieder gefunden, die mit der Lebensart vertraut sind und heilsam dem Gefühl des Alleinseins entgegenwirken können. Vorteile nutzen. Ermutigen Sie das Kind, die Synästhesie vorteilhaft zu nutzen. So können z. B. mit Zahlen verknüpfte Farben sehr hilfreich beim Lernen sein. Es gibt zahlreiche Gedächtniskünstler, deren Geheimnis nicht selten die Synästhesie ist. In der Schule kann das bedeuten, dass man Geschichtsdaten wunderbar behalten oder die weitaus meisten Dezimalstellen von Pi aufzählen kann, indem man sich auch an die begleitenden Farben erinnert. Bedeutender wird es dann sein, mit dem ermutigten Kind gemeinsam zu erkunden, worin die Synästhesie noch hilfreich im alltäglichen Leben sein kann. Die Lehrenden lehren. Stellen Sie Informationsmaterial für Lehrer zur Verfügung. Bieten Sie an, in der Schule über Synästhesie zu reden und fördern damit die Diskussion. Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

32 Originalien/Übersichten de Boisson-Bardies B, de Schonen S, Jusczyk P et al. (eds) Developmental neurocognition: speech and face processing in the first year of life. Kluver, Dordrecht, pp Maurer D, Gibson LC, Spector F. (2013) Synesthesia in infants and very young children. In: Simner J, Hubbard EM (eds) The oxford handbook of synesthesia. Oxford University Press, Oxford, pp Maurer D, Maurer C. (1988) The world of the newborn. Basic Books, New York 25. Maurer D, Mondloch CJ. (2004) Neonatal synesthesia: a re-evaluation. In: Robertson LC, Sagiv N (eds) Synesthesia: perspectives from cognitive neuroscience. Oxford University Press, Oxford, pp Nielsen J, Kruger THC, Hartmann U et al. (2013) Synaesthesia and sexuality: the influence of synaesthetic perceptions on sexual experience. Front Psychol 4: Novich S, Cheng S, Eagleman D. (2011) Is synaesthesia one condition or many? A large-scale analysis reveals subgroups. J Neuropsychol. 5: Nunn JA, Gregory LJ, Brammer M et al. 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Markus Zedler Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Straße Hannover zedler.markus@mh-hannover.de Tel Interessenkonflikt Beim Autor bestanden im Zusammenhang mit der Abfassung der vorliegenden Arbeit und ihren Inhalten keinerlei Interessenkonflikte. 140 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

33 Vici-Syndrom bei monochorialen Zwillingsfrühgeborenen (OMIM ) STEIN A. 1, FELDERHOFF-MÜSER U. 1, JUNGBLUTH H. 2-4, SCHARA, U. 1 Kasuistiken 1 Universitätsklinikum Essen, Klinik für Kinderheilkunde 1, Neonatologie, Pädiatrische Intensivmedizin und Neuropädiatrie 2 Department of Paediatric Neurology, Neuromuscular Service, Evelina Children s Hospital, Guy s & St Thomas NHS Foundation Trust, London, UK 3 Randall Division of Cell and Molecular Biophysics, Muscle Signalling Section, 4 Department of Basic and Clinical Neuroscience, Institute of Psychiatry, Psychology and Neuroscience (IoPPN), King s College London, London, UK. Zusammenfassung Das Vici-Syndrom ist eine sehr seltene autosomal-rezessiv vererbte Multisystemerkrankung. Diagnostisch wegweisend ist die Symptomkonstellation aus Pigmentierungsstörung, Agenesie des Corpus callosum, Katarakten, Kardiomyopathie und gehäuften Infektionen durch einen kombinierten Immundefekt. Ursächlich sind Mutationen im EPG5-Gen, das für einen Regulator der Autophagie kodiert. Der Prozess der Autophagie ist in vielen Geweben für eine normale Zellfunktion essentiell, insbesondere jedoch in der Immunregulation sowie im zentralen Nervensystem. Hieraus erklären sich die Beteiligung verschiedenster Organe beim Vici-Syndrom sowie das Fehlen einer Therapieoption bei der letal verlaufenden Erkrankung. Wir ergänzen die wenigen bisher vorhandenen Fallberichte mit der Beschreibung frühgeborener monochorialer Gemini. Durch diese Diagnosestellung konnten 2 weitere bislang unklare Todesfälle in der betroffenen Familie ebenfalls aufgeklärt werden. Die molekulargenetische Sicherung der Diagnose ermöglicht der Familie nun eine pränatale Diagnostik bei weiteren Schwangerschaften. Abstract We report the case of monochorionic premature twins with Vici syndrome. Vici syndome is a rare autosomal-recessive multisystem disorder presenting with abnormalities in skin pigmentation, absence of the corpus callosum, cataracts, cardiomyopathy and immunodeficiency leading to recurrent infections. The syndrome is caused by mutations in the EPG5 gene encoding for a key autophagy regulator. Autophagy plays a key role in normal cellular function of various different tissues, and is vital for normal neural function and immunomodulation. Deffective autophagy explains the multiorgan involvement in Vici syndrome and also the limited therapeutic options in this lethal disease. With the genetic confirmation of the disease two previously unclear infant deaths in the same family were also explained. The Schlüsselwörter Agenesie Corpus callosum, Immundefekt, Vici-Syndrom, Katarakt, EPG5, Autophagie Vici syndrome in monochorionic premature twins (OMIM ) Abb. 1: Direkt postnatale Schädelsonographie mit Agenesie des Corpus callosum oben Zwilling 1 1a) coronar 1b) sagittal unten Zwilling 2 2a) coronar 2b) sagittal Im Coronarschnitt typische Stierhornkonfiguration der lateralisierten Seitenventrikel (SV) Im Sagittalschnitt fehlende Darstellung des Corpus callosum und Gyrus cinguli aufgrund der unreifen Gyrierung sonst typische radiäre Anordnung der Gyri und Sulci um den nach kranial verlagerten dysplastischen III. Ventrikel (III) kaum darstellbar (*) Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

34 Kasuistiken family now has the option of prenatal testing in further pregnancies. Keywords absent corpus callosum, immunodeficiency, Vici syndrome, cataract, EPG5, autophagy Bibliography Neuropaediatrie 2012; 11: , Schmidt-Roemhild-Verlag, Luebeck, Germany: ISSN ; NLM ID ; OCoLc Abb. 2: 3 Tesla Magnetresonanztomographie des Schädels mit Agenesie des Corpus callosum und Kolpencephalie am errechneten Termin oben Zwilling 1 1a) coronar 1b) sagittal 1c) transversal unten Zwilling 2 2a) coronar 2b) sagittal 2c) transversal Im Coronarschnitt typische Stierhornkonfiguration der lateralisierten Seitenventrikel (SV), freie Kommunikation des Interhemisphärenspaltes (I) mit dem III. Ventrikel (III) Im Sagittalschnitt fehlende Darstellung des Corpus callosum und Gyrus cinguli, jetzt typische radiäre Anordnung (*) der Gyri und Sulci um den nach kranial verlagerten dysplastischen III. Ventrikel (III). Im Transversalschnitt paralleler Verlauf der Seitenventrikel mit dysproportional erweiterten Hinterhörnern (Kolpocephalie K) Kasuistik Die eutrophen monochorialen-diamnialen Gemini wurden mit einem Gestationsalter von 30+1 Schwangerschaftswochen wegen unstillbarer Wehen und vorzeitigem Blasensprung geboren (Geburtsmaße Zwilling 1: Gewicht 1370 g (40.Perzentile), Länge: 40,0 cm (50. Perzentile), Kopfumfang: 29,0 cm (70.Perzentile), und Zwilling 2: Gewicht 1495 g (60. Perzentile), Länge 39,0 cm (30. Perzentile), Kopfumfang: 29,5 cm (80. Perzentile)). Die unmittelbar postnatale Versorgung verlief ohne Komplikationen (Apgar 7/7/8 und 7/8/8). Beide Kinder erhielten bei RDS III einmalig porcines Surfactant mit anschließender Atemunterstützung mittels Infantflow bei Raumluft. Ein persistierender Ductus arteriosus wurde durch 3 Gaben Indomethacin verschlossen. Sonographisch fiel bei beiden Kindern eine Agenesie des Corpus callosum mit begleitender Kolpocephalie auf, die pränatal nicht bekannt war (Abbildung 1). Die am errechneten Termin durchgeführte Magnetresonanztomogra- Abb. 3: Klinischer Verlauf bei Zwilling 1 mit rezidivierenden Infektionen zeitlicher Verlauf des C-reaktiven Proteins als Infektionsmarker in Relation zu Art und Dauer der antibiotischen und antimykotischen Therapie Abb. 4: Klinischer Phänotyp bei Vici-Syndrom blasse Haut, rötliche Haare, offen stehender Mund als Hinweis für muskuläre Hypotonie 142 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

35 Kasuistiken phie des Schädels bestätigte den Befund (Abbildung 2). Bis auf einen hohen Gaumen und eine einseitige Vierfingerfurche beim 2. Zwilling gab es keine weiteren Dysmorphiezeichen. Eine Chromosomenanalyse zeigte einen unauffälligen weiblichen Chromosomensatz. Die erweiterte Stoffwechseldiagnostik erbrachte keinen wegweisenden Befund. Im Verlauf entwickelten beide Zwillinge rezidivierend schwere systemische Infektionen jeweils nach nur wenigen Tagen ohne antibiotische Therapie (Abbildung 3 für Zwilling 1). Weiterhin verursachte eine postnatal erworbene CMV-Infektion ein septisches Krankheitsbild mit Thrombozytopenie und Transaminasenerhöhung. Eine progrediente hypertrophe Kardiomyopathie wurde diuretisch sowie mit ACE-Hemmern behandelt. Es bestand bei beiden Kindern eine Papillenhypoplasie mit nicht ableitbaren VEP. Respiratorisch waren die Kinder bei gehäuften Apnoen schwer vom CPAP zu entwöhnen und benötigten im Verlauf dauerhaft Sauerstoff. Bei Trinkschwäche und Gedeihstörung mit perzentilenschneidendem Wachstum war die dauerhafte Sondierung hochkalorischer Nahrung notwendig. Die Eltern der Zwillinge sind türkischer Nationalität und konsanguin (Cousin und Cousine 1. Grades). Zwei Geschwister des Vaters sind vor ca. 20 Jahren im Alter von 9 und 15 Lebensmonaten verstorben. Die Grunderkrankung blieb damals unklar. Differentialdiagnostisch standen ein Stoffwechseldefekt oder eine Mitochondriopathie im Raum. Bei beiden Kindern bestand ebenfalls eine Balkenagenesie. Der entscheidende diagnostische Hinweis ergab sich aus der genauen Betrachtung der Kinder. Obwohl türkischer Nationalität, waren beide auffällig hellhäutig und hatten rötliches Haar (Abbildung 4). Die Kombination der Symptome, rote Haare, Balkenagenesie, Immundefekt führte zur Verdachtsdiagnose, Vici-Syndrom. Dieses konnte im weiteren Verlauf molekulargenetisch gesichert werden. Da auch die beiden verstorbenen Geschwisterkinder des Vaters struppige rote Haare hatten und eine ähnliche Symptomatik aufwiesen, lag retrospektiv klinisch auch hier sehr wahrscheinlich ein Vici-Syndrom vor. Aktuell existieren zu diesem Krankheitsbild ca 30 Fallbeschreibungen, darunter 3 Geschwisterpaare. Die Erstbeschreibung des Symptomenkomplexes erfolgte durch Vici 1988 (7). Es handelt sich um eine Multisystemerkrankung mit Agenesie des Corpus callosum, Pigmentierungsstörung bis hin zum okulo-kutanen Albinismus, Kardiomyopathie, Krampfanfällen, schwerer psychom*otorische Retardierung und Katarakt (4, 6). Weitere Krankheitsmerkmale sind unregelmäßig vorhanden: Lippen-Kiefer- Gaumenspalte, Muskelhypotonie, postnataler Minderwuchs, Mikrozephalie und Lungenhypoplasie. Neben der regelmäßig vorhandenen Balkenagenesie können weitere Störungen und Fehlbildungen des zentralen Nervensystems auftreten, beispielsweise Hörstörungen, ponto-cerebelläre Hypoplasie, Myelinisierungsstörungen, Heterotopien, Septum pellucidum Agenesie oder Schizencephalie. Die meisten klinischen Merkmale sind bereits bei Geburt vorhanden. Einige Charakteristika können sich auch erst später im Verlauf der ersten Lebensjahre manifestieren, wie beispielsweise die Kardiomyopathie, die Katarakte und der assoziierte Immundefekt (1). Der zugehörige Gendefekt wurde 2013 identifiziert (2). Es findet sich meist eine hom*ozygote oder compound heterozygote Mutation im EPG5-Gen auf Chromosom 18. Bei den in der Kasuistik beschriebenen Zwillingen erbrachte die molekulargenetische Analyse bei Zwilling 1 den Nachweis der krankheitsverursachenden hom*ozygoten Mutation c.1278delc im KIAA1632/ mepg5-gen. Auf die Analyse bei Zwilling 2 wurde aufgrund der Monochorionizität und somit Monozygotie verzichtet. Die Vererbung erfolgt autosomal-rezessiv. Das EPG5-Gen kodiert für einen Regulator der Autophagie (ectopic P-granules autophagy protein 5), einem Prozess der in nahezu allen Geweben des Körpers für eine normale Zellfunktion benötigt wird (2). Autophagie scheint nach neueren Erkenntnissen bei verschiedenen neurodegenerativen und neurometabolischen Erkrankungen eine zentrale pathogenetische Rolle zu spielen, beispielsweise auch bei lysosomalen Speichererkrankungen (3, 8). Im Immunsystem ist Autophagie an der Elimination von Mikroorganismen, der Sekretion von Immunmediatoren, der adaptiven Immunität sowie der pro-inflammatorischen Signalübertragung beteiligt. Die meisten Kinder versterben im Kleinkindalter bei rekurrierenden vor allem respiratorischen Infekten im Rahmen des kombinierten Immundefekts (2) oder im Rahmen der Kardiomyopathie. Es besteht jedoch eine große Variabilität hinsichtlich des Schweregrades des Immundefekts (5). Auch die Zwillinge verstarben unter palliativer Therapie mit einem korrigierten Alter von 1 und 6 Monaten. Rezidivierende oder atypische Infektionen sollten auch bei Frühgeborenen an einen Immundefekt denken lassen. Eine Kombination mit Dysmorphien oder anderen Fehlbildungen kann eine mögliche übergeordnete Erkrankung identifizieren helfen, die auch prognostische und therapeutische Relevanz haben kann. Das Vici-Syndrom ist eine solche seltene autosomal-rezessiv vererbte Multisystemerkrankung mit den wegweisenden Merkmalen: Agenesie des Corpus callosum, Pigmentierungsstörung und Immundefekt. Literatur 1. Cullup T, Dionisi-Vici C, Kho AL, et al. (2014) Clinical utility gene card for: Vici Syndrome. Eur J Hum Genet 22(3). doi: /ejhg ; published online 10 July Cullup T, Kho AL, Dionisi-Vici C, et al. (2013) Recessive mutations in EPG5 cause Vici syndrome, a multisystem disorder with defective autophagy. Nature Genet 45: Ebrahimi-Fakhari D, Wahlster L, Hoffmann GF, Kölker S (2014) Emerging role of autophagy in pediatric neurodegenerative and neurometabolic diseases. Pediatr Res 75(1-2): Filloux FM, Hoffman RO, Viskochil DH, et al (2014) Ophthalmologic features of vici syndrome. J Pediatr Ophthalmol Strabismus 51(4): Finocchi A, Angelino G, Cantarutti N, et al..(2012) Immunodeficiency in Vici syndrome: a heterogeneous phenotype. Am J Med Genet 158A: Rogers RC, Aufmuth B, Monesson S (2011) Vici syndrome: a rare autosomal recessive syndrome with brain anomalies, cardiomyopathy, and severe intellectual disability. Case Rep Genet 2011: Vici CD, Sabetta G, Gambarara M, et al (1988) Agenesis of the corpus callosum, combined immunodeficiency, bilateral cataract, and hypopigmentation in two brothers. Am J Med Genet 29(1): Zhao YG, Zhao H, Sun H, Zhang H (2013) Role of Epg5 in selective neurodegeneration and Vici syndrome. Autophagy 9(8): Wir danken der Familie für die freundliche Bereitstellung der Fotos. Korrespondenzadresse: Dr. Anja Stein Universitätsklinikum Essen (AöR) Klinik für Kinderheilkunde I Neonatologie Hufelandstr. 55 D Essen Telefon: / Fax: / anja.stein@uk-essen.de Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt vorliegt. Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

36 Das große Standardwerk der Neuropädiatrie Mit neuen Hauptkapiteln unter anderem zu Neuropädiatrie 4. Auflage Prof. Dr. Fuat Aksu unter Mitarbeit von Priv.-Doz. Dr.T. Bast, Prof. Dr. F.A.M. Baumeister, Prof. Dr. M. Beck, Priv.-Doz. Dr. S. Berweck, Dr. M. Blankenburg, Prof. Dr. H. Bode, Prof. Dr. K. Brockmeier, Prof. Dr. H.-J. Christen, Prof. Dr. O. Dammann, Priv.-Doz. Dr. O. Debus, Dr. B. Dietz, Priv.-Doz. Dr. F. Ebinger, Prof. Dr. Dr. H. Eiffert, Prof. Dr. Ursula Felderhoff-Müser, Priv.-Doz. Dr. P. Freisinger, Dr. S.J. Friedrichsdorf, Prof. Dr. Jutta Gärtner, Prof. Dr. Gabriele Gillessen-Kaesbach, Prof. Dr. C. Hagel, Prof. Dr. Dr. h.c. F. Hanefeld, Dr. H. Hartmann, Prof. Dr. F. Heinen, Prof. Dr. Prof. h.c. (RCH) G.F. Hoffmann, Priv.-Doz. Dr. Angela M. Kaindl, Dr. U. Kalbe, Dr. D. Karall, Prof. Dr. D. Karch, Prof. Dr. M. Kieslich, Prof. Dr. Christine Klein, Prof. Dr. A. Kohlschütter, Prof. Dr. R. Korinthenberg, Prof. Dr. Ingeborg Krägeloh-Mann, Prof. Dr. R. Lietz, Prof. Dr. J. Lütschg, Dr. J.A. Mayr, Prof. Dr. P. Meinecke, Hannah Metzger, M.Sc., Prof. Dr. G. Neuhäuser, Priv.-Doz. Dr. Eva Neumaier-Probst, Prof. Dr. H. Omran, Prof. Dr. C. P. Panteliadis, Prof. Dr.T. Reinehr, Priv.-Doz. Dr. L. Remonda, Prof. Dr.V. Roessner, Prof. Dr.T. Rosenbaum, Dr. Beate Schmidt, Prof. Dr. B. Schmitt, Prof. Dr.W. Sperl, Prof. Dr. M. Staudt, Prof. Dr. Maja Steinlin, Dr. Kirsten Stollhoff, Prof. Dr. Ute Thyen, Dr. Floris Udink ten Cate, Prof. Dr. D. Uhlenbrock, Dr. G. Uyanik, Prof. Dr. F.Vassella, Prof. Dr. Dagmar Wieczorek, Priv.-Doz. Dr. Marko Wilke, Prof. Dr. B.Wilken, Prof. Dr. J.Winkler, Prof. Dr. Boris Zernikow Dystonien Tic-Störungen Schwindel Synkopen Akuter Gangstörung Mitochondriopathien SCIENCE Neuropädiatrie Prof. Dr. Fuat Aksu (Hrsg.), Zentrum für Neuropädiatrie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie, Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, UNI-MED Science, 4., neubearb. Auflage 2011, 845 Seiten, ca. 700 Abb., Hardcover, ISBN , ca. Euro 74,80 UNI-MED Verlag AG Kurfürstenallee 130 D Bremen Telefon: 0421/ Telefax: 0421/ Internet:

37 Mitteilungen Personalia Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach den Vorstandswahlen im Rahmen der Jahrestagung der GNP 2014 in München möchten wir den neuen Vorstand vorstellen: Präsidentin: Vizepräsident: Schatzmeister: Schriftführer: Vertreter der niedergelassenen Neuropädiater: Vertreterin für Österreich: Vertreterin für die Schweiz: Tagungspräsident 2015: Professor Dr. Ulrike Schara, Essen Professor Dr. Matthias Kieslich, Frankfurt Professor Dr. Thomas Lücke, Bochum Dr. Andreas Sprinz, Havixbeck Dr. Folkert Fehr, Sinsheim Dr. Manuela Baumgartner, Linz Privat-Dozentin Dr. Andrea Klein, Zürich Professor Dr. Peter Weber, Basel Wir möchten an dieser Stelle den ausscheidenden Kolleginnen und Kollegen Professorin Barbara Plecko, Professorin Maja Steinlin, Professor Bernd Neubauer und Privat-Dozent Dr. Kevin Rostasy ganz herzlich für Ihren langjährigen engagierten Einsatz für die GNP danken! Ulrike Schara und Thomas Lücke Verbände Fortbildungsakademie der Gesellschaft für Neuropädiatrie e.v. 23. Neuropädiatrie Seminar Der ungelöste Fall Hannover, 7./8. November 2014 Beginn: Freitag, Uhr (get together Uhr); Ende: Samstag, ca Uhr Ort: Hörsaal F der Med. Hochschule Hannover, Carl-Neuberg Str. 1, Hannover Liebe Frau Kollegin, lieber Herr Kollege, auch in diesem Jahr laden wir Sie herzlich zu diesem Seminar ein und freuen uns auf Ihre Teilnahme und natürlich auch Fallanmeldung. Als Experten konnten wir in diesem Jahr folgende Kolleginnen und Kollegen gewinnen: Herrn Prof. Boltshauser / Zürich, Herrn Prof. Brockmann / Göttingen, Frau Prof. Gillessen-Kaesbach / Lübeck, Herrn Prof. Korinthenberg / Freiburg, Herrn Prof. Müller-Felber / München, Frau Prof. Plecko / Zürich, Herrn Dr. Seeger / Wiesbaden, Herrn Prof. Straub / New Castle upon Tyne, Herrn Prof. Willemsen / Nijmegen, Frau PD Dr. Wolf / Amsterdam. Die neuroradiologische Befundung erfolgt durch Frau Dr. Bültmann. Leitung: Prof. Dr. H.-J. Christen / Kinderkrankenhaus auf der Bult Hannover Dr. H. Hartmann / Medizinische Hochschule Hannover Prof. Dr. Stephani / Univ.- Kinderklinik Kiel Teilnahmegebühr: 150 e Auskunft/Anmeldung: Frau Brüggemann (Tel ) Brueggemann.carina@mhhannover.de Fallanmeldung: Christen@HKA.de Kopflandschaft, Herbert Press 1988 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

38 Mitteilungen Industrie Bericht vom 5. DIACOMIT -Workshop, 28./29. März 2014 in Fulda Dravet-Syndrom: Bekanntes und Neues aus dem Bereich der Genetik, Diagnose und Therapie Das Dravet-Syndrom, auch Severe Myoclonic Epilepsy in Infancy (SMEI) genannt, wurde im Jahr 1978 das erste Mal von der französischen Neuropädiaterin Charlotte Dravet beschrieben. Die Erkrankung hat eine Geburtsprävalenz von 1: bis 1: und zählt zu den schwersten Epilepsien im Kindesalter. Bei etwa 80 % aller Patienten sind Mutationen im SCN1A-Gen, das für eine Untereinheit der spannungsabhängigen Natriumkanäle (Nav1.1) kodiert, zu finden und können die Diagnose der SMEI unterstützen. Mittlerweile wurden jedoch noch weitere Gene beschrieben, die mit dem Dravet-Syndrom in Zusammenhang stehen können. Das Dravet-Syndrom beginnt typischerweise innerhalb des ersten Lebensjahres (3.-9. Lebensmonat) mit rezidivierenden, oft fieberassoziierten generalisierten sowie unilateralen, klonischen und tonisch-klonischen oder halbseitig betonten epileptischen Anfällen. Später kommen myoklonische, partielle und atypische Absencen und Umdämmerungsstaten hinzu. Die frühe Entwicklung der Kinder ist unauffällig, doch meist schon innerhalb des 2. Lebensjahres sind erste Anzeichen von psychom*otorischen Entwicklungsverzögerungen zu beobachten. Die Mortalität beim Dravet-Syndrom ist immer noch erhöht, wobei die Todesursache in den meisten Fällen ein SUDEP (engl.: Sudden Unexpected Death in Epilepsy) oder auch der Status epilepticus ist. Eine der wenigen Behandlungsoptionen, mit der bei Patienten mit SMEI eine verbesserte Anfallssituation erreicht werden kann, ist der GABA-Rezeptoragonist Stiripentol (DIACOMIT ). Stiripentol wurde von der französischen Firma BIOCODEX entwickelt. DIACOMIT wird seit Januar 2008 in Deutschland von dem Hamburger Pharmaunternehmen DESITIN Arzneimittel GmbH vertrieben. Ende März 2014 trafen sich in Fulda Neuropädiater und Neurologen aus ganz Deutschland beim 5. DIACOMIT - Workshop, um über die Ätiologie, Diagnose, Therapie und Prognose des Dravet-Syndroms zu diskutieren. Die wissenschaftliche Leitung hatte Prof. Dr. med. Ulrich Brandl, Leiter der Abteilung Neuropädiatrie, Universitätsklinikum Jena. Prof. Brandl hielt einen Vortrag über die Behandlung des Status epilepticus bei SC- N1A-positiven Patienten. Interessante Einblicke in die genetische Diagnostik beim Dravet- Syndrom gab Frau Dr. Sarah von Spiczak, Norddeutsches Epilepsiezentrum für Kinder und Jugendliche in Schwentinental-Raisdorf und Arbeitsgruppe Pädiatrische Epilepsiegenetik, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel. Prof. Dr. phil. Dipl.-Math. Theodor May, Wissenschaftlicher Leiter des Koordinierungszentrums, Gesellschaft für Epilepsieforschung e.v., referierte über die Pharmakokinetik von Stiripentol. Ein Bericht von Frau PD Dr. med. habil. Astrid Bertsche, Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ), Universitätsklinikum Leipzig, über die Inhalte und Ergebnisse der Dravet-Syndrom-Familienkonferenz 2013 in Leipzig rundete die Veranstaltung in Fulda ab. Im Folgenden sind die Inhalte des Workshops kompakt zusammengefasst. Status epilepticus beim Dravet-Syndrom Trotz intensiver wissenschaftlicher Bemühungen hinsichtlich der Diagnostik und Therapie ist die Mortalität des Dravet-Syndroms bis heute hoch. Die häufigste Todesursache von Patienten mit SMEI ist der SUDEP, gefolgt vom Status epilepticus und dessen Folgen. In der Datenbank der IDEA League (= International Dravet syndrome Epilepsy Action League) waren im Jahr 2011 insgesamt 833 Fälle mit Dravet- Syndrom registriert. 31 der Patienten verstarben innerhalb von 10 Jahren, wobei in 19 Fällen (62 %) ein SUDEP und bei 10 Patienten (32 %) ein Status epilepticus die Todesursache war 1. Besonders in den ersten Lebensjahren besteht bei Patienten mit Dravet-Syndrom eine starke Neigung zum konvulsiven Status epilepticus. Der Status epilepticus Der Kommission Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zufolge ist ein Status epilepticus (SE) als ein prolongierter epileptischer Anfall bzw. durch rezidivierende, d. h. mindestens 2 epileptische Anfälle ohne zwischenzeitliche Wiedererlangung des vorbestehenden neurologischen Befundes in einem umschriebenen Zeitraum gekennzeichnet. Dies trifft der Kommission zufolge für alle semiologischen Formen des SE zu. Bezüglich der Anfallsdauer wird in den Leitlinien Folgendes festgehalten: In epidemiologischen Studien wird in der Regel eine Mindestdauer von 30 Minuten gefordert, um eine hohe diagnostische Sicherheit zu erzielen. Im klinischen Alltag ist jedoch eine operationale Definition sinnvoller, nach der ein epileptischer Anfall bereits nach 5 Minuten Dauer einen SE definiert 2. Pathophysiologische Mechanismen des Status epilepticus Normalerweise sind epileptische Anfälle selbstlimitierend. Mit dem Anfall geht eine erhebliche inhibitorische Aktivität einher, die zu einer raschen Abnahme der den Anfall auslösenden neuronalen Überaktivität führt. Die Effektivität dieser Inhibition ist allerdings begrenzt und lässt nach wenigen Minuten nach. Ein hierfür wesentlicher Faktor ist Prof. Brandl zufolge das sogenannte Receptor trafficking (Tab. 1). Hierzu erklärte der Epilepsie-Experte: Für die inhibitorische Aktivität notwendige GABA-A-Rezeptoren wandern bei anhaltender Anfallsaktivität in tiefere Schichten der Zellmembran und werden ineffektiver. Dieser Vorgang setzt bereits in den ersten Minuten des Anfalls ein. Hält nun ein Anlass zu einem Anfall so lange an, dass die Gegenregulation nachlässt, kommt es zum Status epilepticus. Experimentell lässt sich das durch längere Elektrostimulation oder ausreichend lang wirksame epileptogene Substanzen auslösen. Paradoxerweise kommt es mit einiger zeitlicher Verzögerung in den ersten 30 Minuten des Anfalls aber auch zu einem Auftauchen von NMDA-Rezeptoren. Dies führt zu einer Steigerung der Glutamat-bedingten Exzitabilität und Exzitotoxizität und erklärt nicht zuletzt die gesteigerte therapeutische Wirkung von NMDA-Antagonisten (Ketamin) mit zunehmender Dauer des Status epilepticus. Was beim einzelnen Patienten dazu führt, in einem bestimmten Augenblick einen Status epilepticus zu erleiden, lässt sich allerdings meist nicht erfassen, so Brandl. 146 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

39 Mitteilungen Pathophysiologische Besonderheiten des Status epilepticus beim Dravet-Syndrom Im Falle des Dravet-Syndroms gibt es Prof. Brandl zufolge bestimmte Faktoren, welche die Entstehung eines Status epilepticus begünstigen. Diese sind in erster Linie fieberhafte Atemwegsinfekte und die Durchführung von Schutzimpfungen, die ebenfalls mit einer Erhöhung der Körpertemperatur einhergehen können. Zu erklären sei dies mit der Temperaturabhängigkeit der spannungsabhängigen Natriumkanäle an inhibitorischen Neuronen bei Patienten mit SCN1A-Mutationen. Im Falle von Fieber vermindert sich, wie der Experte weiter erklärte, die maximale Frequenz, mit der diese Kanäle aktiviert werden können und damit die Effektivität des inhibitorischen Systems. Zudem halte die Erhöhung der Körpertemperatur lange genug an, um einen Status epilepticus auslösen zu können. Doch auch außerhalb des Fiebers sei das inhibitorische System bei dieser Mutation weniger aktiv, was die Entstehung eines Status auch unter anderen Ursachen begünstige. Häufig käme es so, zum Beispiel bei Medikamentenumstellungen oder Vergessen der Medikamenteneinnahme, zum Status epilepticus. Therapie des Status epilepticus Das heute etablierte 4-Stufenschema zur Behandlung des Status epilepticus zielt auf einen möglichst frühen Einsatz von anfallshemmenden Medikamenten ab. Die in der ersten Stufe verabreichten Medikamente wirken auf die GABA- A-Rezeptoren und wirken daher mit zunehmender Anfallsdauer weniger, so Brandl. Bei gesichertem Status epilepticus wird als Ersttherapie meist ein Benzodiazepin, wie rektales Diazapam oder buccales Midazolam, verabreicht. Beide Therapien sind hinsichtlich der Wirksamkeit etwa gleichwertig und auch zur Anwendung durch Laien geeignet. Dies ermöglicht dem Experten zufolge ein schnelleres Eingreifen als bei Therapien, die einen Arzt erforderlich machen. Aber auch bei ärztlicher Anwendung sei die Gesamtzeit bis zum Wirkungseintritt kürzer als bei einem i. v.-präparat, wenn das Legen eines venösen Zugangs hinzu gerechnet wird. In Stufe 2 wird intravenös ein Benzodiazepin, vorzugsweise Lorazepam, verabreicht. Wenn hierdurch keine Beendigung des Status epilepticus möglich ist, sollte in Stufe 3, so Prof. Brandl, auf eine andere Wirkstoffgruppe gewechselt werden, und zwar auf Phenytoin in einer Dosierung von 15-18mg/kg als Kurzinfusion oder auf Phenobarbital in einer Dosierung von 10-20mg/kg. Alternativ kann auch Valproinsäure in einer Dosierung von mg/kg intravenös verabreicht werden. Ein primärer Einsatz von Valproat empfiehlt sich nach Brandls Meinung allerdings nur bei Patienten, die in der Vorgeschichte bereits erfolglos mit Phenytoin oder Phenobarbital behandelt worden sind und nicht unter einer Receptor trafficking Untertauchen von GABA-A-Rezeptoren: Herabsetzung der GABA-A-Rezeptor-Wirkung auf das Membranpotential Einsetzen des Vorgangs innerhalb der ersten Minuten eines Anfalls Auftauchen von NMDA-Rezeptoren: Valproat-Dauertherapie stehen oder bei Staten, die durch Non-Adhärenz bei sonst erfolgreich mit Valproat therapierter Epilepsie entstanden sind. Phenytoin kann, obwohl es ein Natrium-Kanal-Hemmer ist, nach hoch dosierter Vorbehandlung mit Benzodiazepinen auch beim Dravet- Syndrom eingesetzt werden; die GABA-Rezeptoren sind durch die Benzodiazepingabe je bereits maximal stimuliert. Alternativ kommt noch Levetiracetam in Frage, das jedoch noch keine Zulassung beim Status epilepticus hat. Nach Versagen der Behandlungsstufe 3 liegt ein refraktärer Status epilepticus vor, der in Stufe 4 durch eine Narkose mit Thiopental oder Midazolam behandelt werden sollte. Die Therapie im Falle eines Dravet-Syndroms unterscheidet sich nicht prinzipiell von der Behandlung des Status epilepticus anderer Genese. Bei Fieber als Auslöser, so Prof. Brandl, solle allerdings auch an eine effektive Fiebersenkung gedacht werden. Die in der Therapiestufe 3 mögliche Alternative einer Behandlung des Status epilepticus mit Valproat kommt dem Wissenschaftler zufolge bei Kindern mit Dravet-Syndrom, die häufig eine Valproat-Dauerbehandlung erhalten, nicht in Frage. Ganz besonders wichtig ist es auf jeden Fall, Eltern und Betreuer von Patienten mit Dravet-Syndrom in die Behandlung mit einem der Medikamente der Stufe 1 einzuweisen, so Prof. Brandl abschließend. (Nach einem Vortrag von Prof. Dr. med. Ulrich Brandl, Leiter der Abteilung Neuropädiatrie, Universitätsklinikum Jena, 5. DIACOMIT -Workshop, März 2014, Fulda) Einsetzen des Vorgangs in den ersten 30 Minuten des Anfalls Steigerung der Glutamat-bedingten Exzitabilität und Exzitotoxizität Genetische Untersuchung beim Dravet- Syndrom Steigerung der NMDA-Antagonisten-Wirkung (Ketamin) mit zunehmender Dauer des SE Tab. 1: Receptor trafficking: Pathophysiologische Mechanismen im Status epilpeticus (SE) Bei Patienten mit Dravet- Syndrom sind in über 80 % aller Fälle Mutationen im SC- N1A-Gen, das für eine Untereinheit der spannungsabhängigen Natriumkanäle in der Nervenzellmembran kodiert, ursächlich für die Erkrankung. Dieser Natriumkanal trägt die Bezeichnung Nav1.1 und wird im Großhirn vorwiegend an GABAergen Interneuronen und im Kleinhirn auch an Pyramidenzellen exprimiert. Die Interneurone haben eine überwiegend inhibitorische Wirkung auf die Ausbreitung von Aktionspotentialen an den Nervenzellen. Mutationen im SCNA1-Gen führen dazu, dass die Funktion des Natriumkanals vermindert ist, Erregungen an den hemmenden Neuronen nur in geringerem Ausmaß weitergeleitet werden und so nicht an die synaptischen Endigungen, die GABA ausschütten, gelangen. Dies ist ein wesentlicher Grund für die Anfallsentstehung bei Kindern mit Dravet-Syndrom. SCN1A-Mutationen SCN1A-Mutationen sind nicht nur bei Patienten mit SMEI zu finden, sondern können auch bei anderen Epilepsie-Formen, wie zum Bespiel dem GEFS+-Syndrom (= Genetic Epilepsy with Febrile Seizu- Quelle: Prof. Brandl, Jena Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

40 Mitteilungen res plus) oder dem Dravet-Syndrom ähnlichen Phänotypen auftreten. So finden sich zum Beispiel in etwa 70 % der Fälle mit einer SMEB (= Borderline- SMEI) oder einer ICE-GTC (= Intractable Childhood Epilepsy with Generalized Tonic Clonic Seizures) Mutationen im SC- N1A-Gen. Weitere genetische Mutationen beim Dravet-Syndrom Frau Dr. von Spiczak zufolge wurden mittlerweile weitere Gene beschrieben, die mit dem Dravet-Syndrom in Zusammenhang stehen. Bereits länger bekannt sind Veränderungen in zwei anderen Genen für neuronale spannungsabhängige Natriumkanäle, dem SCN2Aund SCN1B-Gen (hom*ozygot) sowie im Gen für Protocadherin 19, PCDH19-Gen genannt. Veränderungen in den beiden erst genannten Genen, so von Spiczak, sind sehr selten und bisher nur bei wenigen Patienten beschrieben. Pathogene Mutationen in PCDH19 verursachen ein Krankheitsbild, das auch als Epilepsie mit mentaler Retardierung bei Frauen (EFMR) bezeichnet wird. Die betroffenen Mädchen zeigen eine Epilepsie mit Ähnlichkeiten zum Dravet-Syndrom, allerdings etwas milderem Verlauf und Anfällen, die häufig in Clustern auftreten, sowie eine im Vergleich zum Dravet- Syndrom meist milder ausgeprägte mentale Retardierung. Eine Besonderheit ist hier das Vererbungsmuster, denn bei X- chromosomalem Erbgang sind nur die Frauen betroffen, die Männer sind Überträger. Wie die Wissenschaftlerin erklärte, sollen etwa 5 % aller Patienten mit Dravet-Syndrom PCDH19- Mutationen haben. Erst in jüngster Zeit wurden weitere Gene bei Patienten mit SCN1A-negativem Dravet- Syndrom identifiziert, und zwar die Gene CHD2, GABRA1 (= GABA-A-Rezeptor, Alpha 1) und STXBP1 (= Syntaxinbindendes Protein 1). Welche Rolle das CDH2-Gen bei SC- N1A-negativen Patienten mit Dravet-Syndrom spielt, wurde kürzlich von einer Gruppe europäischer Wissenschaftler des EuroEPINOMICS RES Consortiums in einer Studie genauer untersucht. Es fanden sich Hinweise dafür, dass De novo Loss of Function -Mutationen in CDH2 eine Ursache für ein dem Dravet Syndrom ähnlichem Krankheitsbild mit fiebergebundenen Anfällen, myoklonischen Anfällen und einer Entwicklungsverzögerung bei etwas späterem Beginn im 2. Lebensjahr ist 3. Das Gen kodiert für das Chromodomain Helicas DNA Binding Protein 2, ein Eiweiß, das eine wichtige Rolle im Rahmen der Gen-Transkription spielt. Ob die Gene CHD2, GABRA1 und STXBP1 tatsächlich eine wesentliche Bedeutung bei SC- N1A-negativen Dravet-Patienten haben, ist noch unklar und wird Gegenstand zukünftiger Untersuchungen sein. Die Veränderungen scheinen jedoch im Verhältnis zu SCN1A-Mutationen eher selten zu sein. Genetische Testung bei Verdacht auf Dravet-Syndrom oder entsprechend unklarer Anfallssituation und ihre Bedeutung Aus ärztlicher Sicht bestätigt der Nachweis einer SC- N1A-Mutation bei klinischem Verdacht die Diagnose eines Dravet-Syndroms und verhindert so weitere, aufwendige und für das Kind belastende diagnostische Maßnahmen. Er erlaubt zudem eine zielgerichtete Behandlung der betroffenen Patienten. Mit Stiripentol (DIACOMIT ) steht ein spezifisch zugelassenes Medikament zur Verfügung; andere, potentiell anfallsprovozierende Medikamente können vermieden werden. Mit der Bestätigung der Diagnose kann aber auch die Prognose besser eingeschätzt werden, wobei allerdings, wie Frau Dr. von Spiczak betonte, im Rahmen der Aufklärung der Familien auch auf die große Varianz der Krankheitsverläufe hingewiesen werden sollte. Allerdings sei durch den Nachweis einer SCN1A-Mutation auch eine genetische Beratung der Eltern möglich und erleichtere zudem den Zugang zur Selbsthilfe (Tab. 2). Viel diskutiert, aber nicht abschließend geklärt, ist der Expertin nach die Frage, ob eine frühe adäquate Behandlung den Krankheitsverlauf von Patienten mit Dravet-Syndrom, insbesondere in Bezug auf eine epileptische Enzephalopathie, tatsächlich beeinflussen kann. Bei Kindern mit Dravet- Syndrom handelt es sich in der Mehrzahl um Neumutationen. Dennoch, betonte Dr. von Spiczak, sollte auch die Möglichkeit eines Mosaik-Status sowie das Auftreten vererbter Mutationen mit breitem Krankheitsspektrum im Sinne eines GEFS+-Syndroms (= genetische Epilepsie mit Fieberkrämpfen plus) in Erwägung gezogen werden. Die Frage, wann der richtige Zeitpunkt für eine genetische Untersuchung ist, kann nur schwer beantwortet werden. Im Falle eines klinischen Verdachts auf ein Dravet-Syndrom rät von Spiczak dazu, eher frühzeitig zu testen. Die ILAE (= International League Against Epilepsy) empfiehlt eine entsprechende Untersuchung nach zwei oder mehr prolongierten febrilen oder afebrilen, möglicherweise hemiklonischen Anfällen. In jedem Falle müsse aber grundsätzlich eine Verunsicherung der Eltern bei noch unklarem Krankheitsverlauf und/oder negativem Testergebnis gegen die Nachteile einer spät erfolgten Bestätigung der Diagnose abgewogen werden. (Nach einem Vortrag von Dr. Sarah von Spiczak, Kiel/ Schwentinental-Raisdorf, Norddeutsches Epilepsiezentrum für Kinder und Jugendliche in Schwentinental- Raisdorf und Arbeitsgruppe Pädiatrische Epilepsiegenetik, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, 5. DIACOMIT - Workshop, März 2014, Fulda) Der Nachweis einer SCN1A-Mutation Bestätigt die Diagnose Verhindert weitere Diagnostik Erlaubt Aussagen zur Prognose Ermöglicht eine genetische Beratung Erlaubt eine spezifische Behandlung Beeinflusst durch eine frühzeitige Behandlung eventuell den Verlauf Ermöglicht den Zugang zur Selbsthilfe Quelle: Dr. von Spiczak, Kiel/Schwentinental-Raisdorf Tab. 2: Nachweis einer SCN1A-Mutation und seine Bedeutung für Patienten mit Dravet-Syndrom Stiripentol (DIACO- MIT ) in der Therapie des Dravet-Syndroms DIACOMIT ist indiziert als Zusatztherapie für die Anwendung in Verbindung mit Clobazam und Valproat bei refraktären generalisierten tonisch-klonischen Anfällen bei Patienten mit schwerer myoklonischer Epilepsie im Kindesalter (SMEI, Dravet-Syndrom), deren Anfälle mit Clobazam und Valproat nicht angemessen kontrolliert werden kön- 148 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

41 Mitteilungen nen 4. Weitere Informationen finden sich dazu auf der EMA- Internetseite [ ema.europa.eu/ema/ (Suche: Stiripentol) ]. Pharmakokinetische Besonderheiten von Stiripentol Die Pharmakokinetik des Stiripentols weist einige Besonderheiten auf. Dies ist zum einen die nicht-lineare Kinetik des Medikamentes, so Prof. May. Dies konnte der Experte in einer 2012 in der Zeitschrift Therapeutic Drug Monitoring publizierten retrospektiven Studie erneut zeigen [5]. Im Falle einer Dosissteigerung kann, wie Prof. May erklärte, die Stiripentol-Konzentration stärker ansteigen, als es bei einer linearen Kinetik zu erwarten wäre. Die Datenauswertung der Studie, in der insgesamt 220 Stiripentol- Serumkonzentrationen von 75 Patienten aus 3 deutschen Epilepsie-Zentren analysiert wurden, habe ergeben, dass ein Konzentrationsanstieg insbesondere ab Stiripentol- Dosierungen von etwa 25 mg/ kg zu beobachten ist. In diesem Zusammenhang müsse berücksichtigt werden, dass ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene bei vergleichbarer Stiripentol-Dosierung pro kg Körpergewicht deutlich höhere Stiripentol-Konzentrationen aufweisen als jüngere Kinder im Alter von unter 6 Jahren. Eine weitere pharmakokinetische Besonderheit von Stiripentol ist, wie Prof. May weiter ausführte, sein hohes Interaktionspotential. Aufgrund einer Inhibition der Cytochrom P450-Isoenzyme CYP1A2, CYP2C8, CYP2C19, CYP2D6 und CYP3A4 kann es die Serumkonzentrationen anderer Medikamente, die hepatisch metabolisiert werden, deutlich erhöhen. Das trifft neben verschiedenen Antiepileptika und Medikamenten insbesondere auf das Benzodiazepin Clobazam und seinen wirksamen Metaboliten Norclobazam zu. Deshalb, so Prof. May, sollte vor Beginn der Stiripentol-Therapie die Dosierung der Komedikation gegebenenfalls angepasst werden. Auf der anderen Seite sind May zufolge an der Metabolisierung des Stiripentols die Isoenzyme CYP1A2, CYP2C19 sowie CYP3A4 und möglicherweise auch weitere Isoenzyme beteiligt, sodass andere Medikamente, die diese Isoenzyme inhibieren oder induzieren, die Stiripentol-Konzentrationen in erheblichem Umfang beeinflussen können. Der Pharmakologe konnte in seiner Studie zum Beispiel zeigen, dass Phenobarbital die Stiripentol- Konzentrationen im Mittel um ca. 60 % reduziert 5. Allerdings, so fügte Prof. May hinzu, sollten natürlich entsprechend der Fachinformation Phenobarbital, Carbamazepin und Phenytoin nicht in Verbindung mit Stiripentol zur Behandlung des Dravet-Syndroms angewendet werden. Therapeutic drug monitoring Das sogenannte Therapeutic drug monitoring (TDM) bei Antiepileptika findet schon viele Jahre Anwendung in der klinischen Praxis, seine Berechtigung wird jedoch immer wieder diskutiert und sogar in Frage gestellt. Ein TDM von Stiripentol bei Patienten mit Dravet-Syndrom scheint nach Ansicht von Prof. May sinnvoll zu sein, um die Dosierung des Stiripentols und der Komedikation optimal anzupassen und Nebenwirkungen oder vermehrte Anfälle nach Möglichkeit zu vermeiden. (Nach einem Vortrag von Prof. Dr. phil. Dipl.-Math. Theodor May, Wissenschaftlicher Leiter des Koordinierungszentrums, Gesellschaft für Epilepsieforschung e.v., Bielefeld, 5. DIACOMIT -Workshop, 2014, Fulda) Die Dravet-Syndrom- Familienkonferenz 2013 in Leipzig März Im Juni 2013 fand in Leipzig die Dravet-Familienkonferenz statt, die nun schon seit einigen Jahren von der Selbsthilfegruppe Dravet-Syndrom e. V. initiiert wird. Etwa hundert Eltern, betroffene Kinder, Ärzte und Therapeuten kamen zusammen, um sich über neue Erkenntnisse zum Dravet-Syndrom zu informieren und Erfahrungen auszutauschen. Wichtiger Inhalt der Familienkonferenz war, wie Frau PD Dr. Bertsche berichtete, die medikamentöse Therapie von Patienten mit Dravet-Syndrom, und hier insbesondere eine Behandlung mit Stiripentol oder Bromid, aber auch die Notfalltherapie im Falle eines akuten Krampfanfalls. Weiterhin wurden nicht-medikamentöse Therapieverfahren wie Vagusnervstimulation und Ketogene Diät diskutiert. Viel Raum nahmen außerdem die Fragen nach Entwicklungsprognosen und dem Übergang der Dravet-Patienten in das Jugend- und Erwachsenenalter ein. Wünsche und Ängste betroffener Familien PD Dr. Bertsche sprach im Rahmen der Veranstaltung mit den Familien auch über deren Ängste und Wünsche. Ein wichtiges Anliegen der Eltern ist, wie Dr. Bertsche übermittelte, intensiv begleitet zu werden. Dies könne z. B. in einem Sozialpädiatrischen Zentrum in interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Neuropädiatern, Psychologen, Sozialarbeitern und Therapeuten erfolgen. Auch in puncto häusliches Monitoring und Sauerstoffsupplementierung ist das Informationsbedürfnis der betroffenen Familien hoch, so die Epilepsie-Expertin. Nicht zuletzt wurde auch die Angst der Eltern vor einem SUDEP wieder deutlich. Der größte Wunsch der Familien wäre es, Präventionsmaßnahmen zu Verfügung zu haben, um ihre Kinder vor dem plötzlichen Tode zu bewahren. (Nach einem Vortrag von PD Dr. med. habil. Astrid Bertsche, Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ), Universitätsklinikum Leipzig, 5. DIACOMIT - Workshop, März 2014, Fulda) Der 5. DIACOMIT - Workshop wurde von der DESITIN Arzneimittel GmbH, Hamburg, organisiert und durchgeführt. Literatur 1 Skluzacek JV et al (2011). Dravet syndrome and parent associations: the IDEA League experience with comorbid conditions, mortality, management, adaptation, and grief. Epilepsia 52, Suppl. 2: ] 2 Diener HC, Weimar C. (Hrsg.) (2012). Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag: Stuttgart, New York 3 Suls A et al and the EuroEPINOMICS RES Consortium (2013). De novo lossof-function mutations in CHD2 cause a fever-sensitive myoclonic epileptic encephalopathy sharing features with Dravet syndrome. Am J Hum Genet 93(5): Fachinformation DIACOMIT. DESITIN Arzneimittel GmbH, Hamburg, Stand: Januar May TW et al (2012). Concentrations of stiripentol in children and adults with epilepsy: the influence of dose, age, and comedication. Ther Drug Monit 34: Bericht: Dr. med. Susanne Schweizer Redaktion: Medizin-Medienverlag Amselweg 2, D Aschau i.chiemgau info@medizin-medienverlag.de Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

42 FLIP & FLAP Eine Geschichte über Nervenzellen, Epilepsie und die Friedastraßen-Band von Sabine Jantzen und Tina Krisl, mit Bildern von Christiane Kafemann 2. überarb. Aufl. 2007, 84 Seiten, Erzählung mit vielen farbigen Comics, Format DIN A4, geheftet, ISBN , 14,80 Bereits in der 2. Auflage im Verlag Schmidt-Römhild erschienen: Flip & Flap ein Buch für Kinder und Jugendliche zum Thema Epilepsie. Die Diplom-Psychologinnen Sabine Jantzen und Tina Krisl entwickelten Flip & Flap im Rahmen eines gleichnamigen Schulungsprogramms für epilepsiekranke Kinder, Jugendliche und deren Eltern an der Lübecker Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Die Comic-Zeichnungen stammen von Christiane Kafemann. Diese Erzählung führt in die Welt der Nervenzellen Flip und Flap und ihrer Kollegen, die in der Kommandozentrale des Körpers rund um die Uhr ganze Arbeit leisten. Die Flaps jedoch sind manchmal unkonzentriert, und so kommt es zu Fehlern in der Informationsübertragung zu einem Anfall. Eine wichtige Lektüre für betroffene Kinder ab 7 Jahren, Jugendliche und deren Eltern, für Schulklassen und für alle Kinder, die mehr über Epilepsie erfahren wollen. Bestellung Hiermit bestellen wir... Expl. Flip & Flap. Eine Geschichte über Nervenzellen, Epilepsie und die Friedastraßen-Band á 14,80 zzgl. Versand. Lieferungs- und Rechnungsanschrift: Sichern Sie sich jetzt ALLE AUSGABEN IM ABONNEMENT! Hiermit bestelle ich ab ein Jahresabonnement zum Preis von 46, zzgl. 3,00 Versandkosten (Ausland 6,50), 4 Ausgaben jährlich, kündbar 6 Wochen zum Jahresende. Vorname, Name Firma oder Behörde Straße, Hausnummer PLZ, Ort Datum Unterschrift Name, Vorname Klinik, Firma Straße PLZ, Ort Datum Unterschrift Bestellungen an: Verlag Schmidt-Römhild Tel. 0451/ Vertrieb Fax 0451/ Mengstr vertrieb@schmidt-roemhild.com Lübeck Internet: BESTELLUNG BITTE EINSENDEN AN: Mengstr Lübeck Telefon: (04 51) Telefax: (04 51) vertrieb@schmidt-roemhild.com

43 Mitteilungen Industrie Erste zugelassene Therapie für nmdmd PTC Therapeutics erhält die Zulassung in der Europäischen Union für Translarna zur Behandlung von duch*enne-Muskeldystrophie mit Nonsense-Mutation (nmdmd) PTC Therapeutics Germany GmbH gab auf der Neuro woche 2014 bekannt, dass die Europäische Kommission Translarna (Ataluren) zur Behandlung von duch*enne-Muskeldystrophie mit Nonsense-Mutation (nmdmd) bei gehfähigen Patienten im Alter von mindestens fünf Jahren die bedingte Marktzulassung (Conditional Approval) in der Europäischen Union (EU) erteilt hat. Zusammenfassend befand der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur, dass die Datenlage einen ausreichenden Nachweis erbracht hat, dass Translarna die Progression bei nmdmd- Patienten verlangsamen kann. 1 Der spezifische Wirkmechanismus von Ataluren greift direkt in die gestörte Dystrophinbildung ein und ist somit ein kausaler Wirkansatz bei nmdmd, erläuterte Prof. Dr. med. Janbernd Kirschner, Universitätsklinikum Freiburg. Die duch*enne-Muskeldystrophie ist die häufigste Ursache für eine Muskeldystrophie im Kindes- und Jugendalter (1: männliche Neugeborene). 2 Da die Krankheit meist zwischen dem zwanzigsten und dreißigsten Lebensjahr zum Tod führt, benötigen Patienten und Ärzte dringend Therapieoptionen, die die Krankheitsprogredienz verlangsamen, berichtete Univ.-Prof. Dr. med. Ulrike Schara, Universitätsklinikum Essen. Die Marktzulassung ermöglicht PTC die Vermarktung von Translarna in den 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie in den Mitgliedsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums, Island, Liechtenstein und Norwegen. PTC ist im Rahmen der bedingten Marktzulassung verpflichtet, seine konfirmatorische Phase- 3-Studie [Ataluren Confirmatory Trial DMD (ACT DMD)] in nmdmd abzuschließen, um zusätzliche Studiendaten zur Wirksamkeit und Sicherheit vorzulegen. Die Zulassung beruht auf den Sicherheits- und Wirksamkeitsergebnissen einer randomisierten, doppelblinden, multizentrischen, 48-wöchigen Studie mit 174 nmdmd- Patienten 3 sowie zusätzlichen retrospektiven Analysen von Studiendaten. Primärer Studienendpunkt war die Wirkung von Ataluren auf die Gehfähigkeit: Beurteilt wurde die Veränderung der zurückgelegten Gehstrecke mittels der Sechs-Minuten-Gehstrecke ( six-minute walk distance, 6MWD) während des Sechs- Minuten-Gehtests ( six-minute walk test, 6MWT). Das Ergebnis der post-hoc-analyse: Bei Patienten, die Ataluren dreimal täglich in einer Gesamtdosierung von 40 mg/kg/ Tag erhielten, nahm die durchschnittliche Gehstrecke in der 6MWD nach 48 Wochen im Vergleich zur Baseline nur um 12,8 Meter ab im Vergleich zu einer durchschnittlichen Verschlechterung der Gehstrecke um 44,1 Meter bei den Patienten mit Placeboeinnahme. Damit war die durchschnittliche Gehstrecke in der 6MWD in der Ataluren-Gruppe nach 48 Wochen im Vergleich zur Baseline um 31,3 Meter besser als bei Patienten in der Placebo-Gruppe (p=0,056). Noch deutlicher war der Unterschied bei stärker betroffenen Patienten, deren Baseline-Gehstrecke in der 6MWD weniger als 350 Meter betrug: In der Ataluren-Gruppe verloren diese Patienten durchschnittlich 68 Meter weniger Gehstrecke in der 6MWD als die Placebogruppe (Baseline vs. Woche 48). Ataluren-Patienten zeigten außerdem eine langsamere Verschlechterungsrate beim Gehen so das Resultat einer Analyse, die untersuchte, wie viel Zeit bis zu einer zehnprozentigen Gehstreckenreduktion in der 6MWD verging. Zusammenfassend befand der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur, dass die Datenlage einen ausreichenden Nachweis erbracht hat, dass Translarna die Progression bei nmdmd-patienten verlangsamen kann. Basierend auf einer retrospektiven Analyse schnitten Patienten, die die Behandlung erhielten, außerdem bei den Ataluren ermöglicht Ribosomen das irrtümliche Stop-Codon zu überlesen und somit die Proteinsynthese ordnungsgemäß durchzuführen. Dem Stop-Codon wird gewissermaßen eine Art Tarnkappe aufgesetzt. Foto: PTC Therapeutics Germany GmbH. Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

44 Mitteilungen sekundären Endpunkten wie Zeit-Funktionstests zum Hinauf- und Hinabsteigen von Treppen besser ab 3, was vom Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur ebenfalls als Hinweis auf eine Verlangsamung der nmdmd-progression im Vergleich zu Placebo befunden wurde. Die Ergebnisse zur Arzneimittelsicherheit 4 zeigten, dass Translarna im Allgemeinen gut vertragen wurde. Ernsthafte Nebenwirkungen waren selten und wurden nicht mit der Verabreichung von Translarna assoziiert. Die häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen bei der empfohlenen Dosis waren Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen. Diese unerwünschten Nebenwirkungen erforderten im Allgemeinen kein ärztliches Eingreifen, und keiner der Patienten setzte Translarna aufgrund einer unerwünschten Nebenwirkung ab. Über duch*enne-Muskeldystrophie (DMD) duch*enne-Muskeldystrophie (DMD), von der hauptsächlich männliche Personen betroffen sind, ist eine fortschreitende Muskelerkrankung, bei der das Muskelprotein Dystrophin fehlerhaft gebildet wird bzw. fehlt. Dystrophin ist für die strukturelle Stabilität der Skelett-, Zwerchfellund Herzmuskulatur überaus wichtig. Patienten mit DMD, der schwereren Form dieser Erkrankung, verlieren bereits im Alter von zehn bis 14 Jahren ihre Gehfähigkeit 5 und sehen sich lebensbedrohlichen Lungen- und Herzkomplikationen gegenüber, sobald sie die späten Teenagerjahre erreicht haben oder in den Zwanzigern sind. 5,6 Man schätzt, dass bei ca. 13 % der Patienten eine Nonsense-Mutation die Ursache für DMD ist 7, was ca Patienten in den Vereinigten Staaten von Amerika und Patienten in der Europäischen Union entspricht. Weitere Informationen zu DMD erhalten Sie auf den Websiten der deutschen Patientenorganisation von duch*enne-Patienten ( der Deutschen duch*enne-Stiftung ( der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e. V. ( und der internationalen Muscular Dystrophy Association (www. mdausa.org). Über PTC Therapeutics PTC Therapeutics ist ein biopharmazeutisches Unternehmen, das sich auf die Entdeckung und Entwicklung von oral verabreichten, unternehmenseigenen, kleinmolekularen Arzneimitteln konzentriert, die auf post-transkriptionale Kontrollprozesse abzielen. Post-transkriptionale Kontrollprozesse regulieren die Geschwindigkeit und die zeitliche Abfolge der Proteinproduktion und sind für eine einwandfreie Zellfunktion unerlässlich. PTCs interne Forschungspipeline befasst sich mit mehreren therapeutischen Bereichen, darunter seltene Krankheiten, Onkologie und Infektionskrankheiten. PTC hat eigene Technologien entwickelt, die es in der Arzneimittelforschung und bei der Zusammenarbeit mit führenden biopharmazeutischen Unternehmen anwendet. Weitere Informationen über das Unternehmen finden Sie auf der Website Quellen 1 en_gb/document_library/epar_-_ Public_assessment_report/human/002720/WC pdf; abgerufen am Bushby K, Finkel R, Birnkrant DJ, et al. for the DMD Care Considerations Working Group. Diagnosis and management of duch*enne muscular dystrophy, part 1: diagnosis, and pharmacological and psychosocial management. Lancet Neurol 2010; 9: Bushby K, Finkel R, Wong B, et al., PTC124-GD-007-DMD Study Group. Ataluren treatment of patients with nonsense mutation dystrophinopathy. Muscle Nerve 2014 Jul 5. doi: /mus [Epub ahead of print]. 4 PTC Therapeutics, Data on file. 5 Davies KE, Smith TJ, Bundey S, et al. Mild and severe muscular dystrophy associated with deletions in Xp 21 of the human X chromosome. J. Med. Genet. 1988; 25: De Palma C, Perrotta C, Pellegrino P, et al. Skeletal muscle homeostasis in duch*enne muscular dystrophy: modulating autophagy as a promising therapeutic strategy. Front Aging Neurosci Jul. 24; 6:188. doi: /fnagi Dent KM, Dunn DM, von Niederhausern AC, et al. Improved molecular diagnosis of dystrophinopathies in an unselected clinical cohort. Am J Med Genet A 2005; 134(3): Nach Informationen von PTC-Therapeutics GmbH, Frankfurt Man muss Glück teilen, um es zu multiplizieren. Marie von Ebner-Eschenbach Tel.: 0800/ (gebührenfrei) IBAN DE BIC GENO DE M1 GLS SOSKD_Anzeige_IM1_Erdkugel_148x105_4c_RZ.indd : Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4

45 Anzeige Eisai empört über die Weigerung des IQWiG, den Zusatznutzen des innovativen Antiepileptiku*ms Fycompa (Perampanel) bei fokaler Epilepsie anzuerkennen Bericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) ignoriert Tausende von Epilepsiepatienten in Deutschland, die bereits von diesem ersten Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse profitiert haben Eisai sowie führende Ärzte und Selbsthilfegruppen zeigen sich enttäuscht über die Bewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), laut der für Fycompa (Perampanel), ein Antiepileptikum der neuen Generation, im Vergleich zu vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bestimmten herkömmlichen Antiepileptika kein Zusatznutzen belegt sei. 1 Es wird erwartet, dass der G-BA nach Prüfung des IQWiG-Berichts, der schriftlichen Stellungnahmen und der mündlichen Anhörung, bei der auch Patientenvertreter eingebunden sind, seine Entscheidung nach gebührender und ausgewogener Berücksichtigung aller relevanten Aspekte im November 2014 bekanntgeben wird. Eisai ist zuversichtlich, dass der G-BA für seine Entscheidungsfindung einen flexibleren und patientenorientierten Ansatz zugrunde legen wird, welcher sowohl die Evidenz des klinischen Nutzens von Perampanel als auch die Bedürfnisse von Patienten mit unzureichend kontrollierter Epilepsie berücksichtigt. Perampanel wurde 2012 von der Europäischen Kommission als Zusatztherapie bei fokalen epileptischen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung bei Patienten ab 12 Jahren zugelassen. 2 Im Bericht des IQWiG wurden die deutschen Epilepsiepatienten nicht berücksichtigt, die bereits vom Zusatznutzen von Perampanel profitieren. Es liegen ernstzunehmende Erfahrungswerte vor, und ich selbst habe den individuellen Zusatznutzen, den dieses Therapeutikum bei Patienten mit refraktären fokalen Epilepsien haben kann, in einer Publikation beschrieben, stellt Professor Bernhard Steinhoff vom Epilepsiezentrum Kork in Kehl-Kork, Deutschland, fest. Das IQWiG kommt in seiner Bewertung zu dem Schluss, dass Eisai von der vom G-BA festgelegten zweckmäßigen Vergleichstherapie abweicht. Die Bewertung beinhaltet keine Aussage in Bezug auf die nachgewiesene klinische Wirksamkeit und Sicherheit von Perampanel, die in den beim G-BA und zur Erreichung der EU-weiten Zulassung im September 2012 eingereichten Studien gezeigt wurde. Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Perampanel in der klinischen Praxis als Zusatztherapie fokaler Anfälle wurden in einer sechsmonatigen multizentrischen Beobachtungsstudie an neun Epilepsiezentren in Deutschland und Österreich untersucht. 3 Die Hälfte der 281 Patienten mit stark refraktärer Epilepsie, die an der Studie teilnahmen, erreichte eine Verringerung der Anfallshäufigkeit um mindestens 50 %, und 15 % wurden unter Perampanel als Zusatztherapie anfallsfrei. 3 Fycompa ist in mehr als 35 Ländern ein zugelassenes Medikament. Das IQWiG hat den Zusatznutzen von Fycompa erneut nicht anerkannt, und zwar ausschließlich aufgrund methodologischer, nicht jedoch klinischer Erwägungen. Unsere vorrangige Sorge gilt den Patienten und wir sind der Meinung, dass in diesem Bericht mehr als Menschen mit Epilepsie in Deutschland ignoriert werden, denen Fycompa bereits geholfen hat. Wir bleiben zuversichtlich, dass der G-BA eine umfassendere Sichtweise wählt, die anerkennt, dass weitere Behandlungsoptionen in der Zusatztherapie für Patienten mit Epilepsie immer benötigt werden. Wir haben stetig in neue Forschung zu Fycompa investiert und glauben an dessen Potenzial, die Lebenssituation von Epilepsiepatienten zu verbessern, sagte Gary Hendler, President und CEO von Eisai EMEA. Die Epilepsie ist bei jedem Patienten anders, und der Zugang zu neuen Medikamenten, die helfen könnten, ist von entscheidender Bedeutung, vor allem angesichts des hohen Anteils von Patienten, die trotz der verfügbaren Optionen refraktär bleiben. Es ist besorgniserregend, dass das IQWiG dies nicht anerkennt, zumal es um ein solch weitverbreitetes Leiden geht, ergänzte Professor Heinz Beck, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie (DGfE). Epilepsie gehört zu den weltweit häufigsten neurologischen Erkrankungen 4, und in Deutschland leiden über eine halbe Million Menschen daran. 5 Die erfolgreiche Behandlung von fokalen Anfällen bleibt eine Herausforderung, denn bis zu einem Drittel der Epilepsiepatienten erreicht trotz adäquater Therapie mit Antiepileptika keine Anfallsfreiheit. 6 Perampanel ist das erste und einzige zugelassene Antiepileptikum, das selektiv an AMPA-Rezeptoren angreift, die eine maßgebliche Rolle in der Anfallsentstehung spielen. 7 Eisai engagiert sich auf dem Therapiegebiet der Epilepsie, um den unerfüllten medizinischen Bedarf an neuen Behandlungsoptionen für Epilepsiepatienten und ihre Angehörigen zu erfüllen, ein integraler Bestandteil unserer Philosophie der human health care (hhc). Eisai vermarktet derzeit in der Region EMEA mehr Antiepileptika als jedes andere Unternehmen. Literaturhinweise 1 (aufgerufen August 2014) 2 Fachinformation Fycompa (Stand November 2013) 3 Steinhoff BJ et al. A multicentre survey of clinical experiences with perampanel in real life in Germany and Austria. Epilepsy Res 2014:108 (5): ILAE/IBE/WHO, Epilepsy in the WHO European Region: Fostering Epilepsy Care in Europe Verfügbar unter Documents/EUROReport pdf (abgerufen Juli 2014) 5 Pfäfflin, M. Epidemiologie der Epilepsien. Verfügbar unter: http// (abgerufen Juli 2014) 6 Schmidt D. Drug treatment of epilepsy: options and limitations. Epilepsy & Behavior 2009:15: Rogawski MA. Revisiting AMPA receptors as an antiepileptic drug target. Epilepsy Currents 2011:11: Archivdaten, Eisai Co. Ltd. 9 Epilepsy in the WHO European Region: Fostering Epilepsy Care in Europe. (abgerufen Juni 2014) 10 Pugliatti M et al. Estimating the cost of epilepsy in Europe: A review with economic modeling. Epilepsia 2007: 48 (12): Nach Informationen von Eisai GmbH, Frankfurt Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr

46 Mitteilungen Anmietung geeigneter Räumlichkeiten Tagungsbüro Teilnehmerverwaltung Hotelbuchungen Industrieausstellung Referentenbetreuung KONGRESS ORGANISATION Ihr leistungsstarker Partner mit über 30-jähriger Erfahrung Kompetent bei der Durchführung von Kongressen Tagungen Seminaren Symposien (auch via Satellit) im gesamten Bundesgebiet und dem benachbarten Ausland. Vorschau für das Heft 1/Januar 2015: Adela Della Marina et al. Management der ketogenen Diäten in besonderen Situationen Florian Heinen et al. Stellungnahme der Gesellschaft für Neuropädiatrie zur BoTox-Therapie in der Neuropädiatrie Varia Hansisches Verlagskontor Kasuistische Mitteilungen Mitteilungen Lassen Sie sich von uns beraten! Bereitstellung modernster Technik und Kommunikationssysteme Drucksachen, Herstellung und Versand Rahmenprogramm PR unterstützende Aktivitäten Kongressgesellschaft mbh Mengstraße Lübeck Tel / Fax / P Anzeigenschluss: Änderungen vorbehalten 154 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 13. Jg. (2014) Nr. 4 Kongresse Istanbul/Türkei 9 th World Stroke Congress Auskunft: www2.kenes.com/stroke2014/pages/home.aspx Hannover 23. Neuropädiatrie Seminar Der ungelöste Fall Auskunft: Brueggemann.carina@ mh-hannover.de Kiel 3. Kongress der Dt. Ges. f. Transitionsmedizin Auskunft: Münster SHT-Kongress Auskunft: maike.roediger@ukmuenster.de Singen 5. Gemeinsame Jahrestagung DGNR und DGNKN Auskunft: Frankfurt 8. Repititorium der Fortbildungsakademie der GNP Auskunft: Barcelona 4th Int. Symposium on Paediatric Movement Disorders Auskunft: Heidelberg 2. Heidelberger Symposium: Neurometabolische Erkrankungen Sinnvolle Diagnostik und Therapieansätze Auskunft: pamela.okun@med.uniheidelberg.de Dresden Jahrestagung Deutsche Gesellschaft für Epileptologie Auskunft: Basel/Schweiz 41. Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie Auskunft: Wien 11th European Pediatric Neurology Society Conference Auskunft: Karlsruhe 66. Jahrestagung der Dt. Ges. f. Neurochirurgie Auskunft: de Bochum 22. Kongress des Wissenschaftlichen Beirates der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e. V. (DGM) Auskunft: matthias.vorgerd@bergmannsheil.de München Focus Cerebralparese Auskunft: München Focus Cerebralparese. III. Interdisziplinärer Kongress Auskunft:

47 Zulassungsstudie in der pädiatrischen Multiplen Sklerose für Kinder und Jugendliche im Alter von Jahren Studiendesign: Eine 2-jährige, doppelblinde, randomisierte, multizentrische, aktiv -kontrollierte Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit und Sicherheit von Fingolimod p. o. einmal täglich im Vergleich zu Interferon β-1a intramuskulär einmal wöchentlich bei pädiatrischen Patienten mit Multipler Sklerose. Zielparameter: Wirksamkeit: Schubbezogene Parameter (ARR, Zeit bis zum 1. Schub, Anteil der Patienten ohne Schub), MRT Parameter, Pharmakokinetik: (Dosierung), Sicherheit: Auswirkung auf die physische und sexuelle Entwicklung, Gesundheitsbezogene Parameter: Lebensqualität und Kognition Wichtige Einschlusskriterien (Auszug): Jungen und Mädchen von Jahren bei Randomisierung Diagnose einer RRMS nach der revidierten Konsensus Definition einer pädiatrischen MS (Krupp et al. 2013, Polman et al. 2013) EDSS von 0-5,5 Mind. ein Schub im vergangenen Jahr oder zwei Schübe in den vergangenen zwei Jahren Wichtige Ausschlusskriterien (Auszug): SPMS, PPMS Sonstige aktive chronische Erkrankungen des Immunsystems, Infektionen, Asthma Interferon-beta Antikörper beim Screening Herzkreislaufstörungen Schwangerschaft Patienten, die nicht alle Impfungen entsprechend der gültigen Impfempfehlung erhalten haben Wenn Sie Interesse für Ihre Patienten haben, dann melden Sie sich bitte beim: Medizinischen Infoservice der Novartis Pharma GmbH Tel.: (kostenlos, Mo-Fr 8-18 Uhr) Sponsor ist Novartis Pharma Services AG, Basel (CH), Clinicaltrials.gov NCT Teilnehmende Studienzentren: Prof. Dr. med. Jutta Gärtner (LKP) Universitätsklinikum Göttingen Dr. med. Astrid Blaschek Kinderspital München Prof. Dr. med. Thomas Lücke Ruhr-Universität Bochum Prof. Dr. med. Regina Trollmann Universitätsklinikum Erlangen Dr. med. Nicole Heußinger Klinikum Aschaffenburg Dr. med. Sören Lutz Universitätsklinikum Essen Prof. Dr. med. Rudolph Korinthenberg Universitätsklinikum Freiburg Prof. Dr. med. Tjalf Ziemssen Klinikum Carl Gustav Carus, Dresden

48 Stark bei ketogener Ernährungstherapie! Nutricia Ketocal-Produkte sind diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diäten) zur diätetischen Behandlung von pharmakoresistenten Epilepsien und anderen Erkrankungen, die eine ketogene Ernährungstherapie erforderlich machen. Es sind sehr fettreiche, kohlenhydratarme Nahrungen mit Milchprotein, bedarfsgerecht angereichert mit Aminosäuren. Nutricia Liquigen und MCT-Öl sind diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (Bilanzierte Diäten) zur diätetischen Behandlung von Patienten mit Fettverwertungsstörungen, mit Störungen der Fettsäureoxidation, mit einem erhöhten Bedarf an MCT- Fetten sowie im Rahmen einer ketogenen Diät. Wir sind gerne für Sie da! Nutricia GmbH Kontakt Nutricia Metabolics Deutschland, Österreich, Schweiz: Tel.:

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A Zeitschrift für Neurologie des Kindes- und Jugendalters und ihre Grenzgebiete 13. Jg. Evozierte Potentiale in der Neuropädiatrie - PDF Kostenfreier Download (2024)

FAQs

Was versteht man unter evozierte Potentiale? ›

Als evozierte Potentiale (lateinisch evocare „herbeirufen”) wird eine neurologische Untersuchungsmethode bezeichnet, mit deren Hilfe die Leitfähigkeit und damit die Funktionsfähigkeit von Nervenbahnen getestet werden kann.

Warum VEP? ›

Die Hauptzielsetzung der VEP besteht darin, die Funktionstüchtigkeit der visuellen Bahnen vom Auge bis zum Gehirn zu überprüfen. Dies umfasst die Evaluation des Sehnervs, der Sehbahn und der Sehrinde.

Was ist SEP Messung? ›

Somatosensorisch evozierte Potentiale, kurz SEP oder SSEP, sind Messungen der elektrischen Aktivität schnell leitender sensibler Nervenfasern in ihrem Verlauf. Diese Untersuchungsmethode ermöglicht eine nichtinvasive Überprüfung des somatosensorischen Systems.

Was bedeutet SEP Befund? ›

Die somatosensibel evozierten Potenziale (SEP oder SSEP) überprüfen die Übermittlung von Gefühlswahrnehmungen an das Gehirn über die Nervenbahnen von Armen und Beinen sowie im Rückenmark, die durch kurze elektrische Reize an Armen oder Beinen hervorgerufen werden.

Was bedeutet EVOP? ›

Evozierte Potentiale (EVOP)

Die evozierten Potentiale stellen eine neurologische Untersuchungsmethode dar, mit deren Hilfe die Leitfähigkeit und damit die Funktionsfähigkeit von Nervenbahnen getestet werden können.

Wie werden die Nerven in den Beinen gemessen? ›

Elektroneurographie (ENG)

Durch elektrische Reizung von Nerven in den Armen oder Beinen mit sehr niedrigen Stromstärken, wird im Nerven ein elektrisches Potential erzeugt, dessen Ausbreitung in der Zeit gemessen werden kann. Man erhält die Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) ausgedrückt in Metern pro Sekunde (m/s).

Was kostet eine VEP Untersuchung? ›

Gesamt (Punkte)263
Gesamt (Euro)31,39

Wie läuft eine VEP Untersuchung ab? ›

Ablauf der Untersuchung

Sie sitzen vor einem Monitor und die Augen werden nacheinander visuellen Reizen ausgesetzt. Die gemessen Potenziale können dem behandelnden Neurologen Aufschluss über Störungen und Erkrankungen der kompletten Sehbahn geben.

Wann VEP auffällig? ›

Ein typisches VEP weist ein Tal seiner Potentiale bei etwa 80 ms (N80) auf, eine Spitze bei 100 ms (sog. P100) und ein weiteres Minimum bei ca. 135 ms (N135).

Was könnte es sein wenn ein EEG Auffällig ist? ›

Abweichungen von typischen Wellenmustern können auf eine Erkrankung oder Störung hinweisen. Zum Beispiel fallen epileptische Krampfanfälle durch besonders hohe und steile Wellen (sogenannte Spikewellen) auf. Aber auch viele Medikamente, die auf das Gehirn wirken, verändern das EEG-Bild.

Was sollte man vor einem EEG nicht machen? ›

Für ein EEG ist ein guter Kontakt zwischen Elektroden und Hautoberfläche nötig, daher sollten Sie Ihre Haare vor einem EEG frisch waschen. Verzichten Sie auf Haarspray oder -gel. Lassen Sie Ihre Augen während einem EEG geschlossen. Die Untersuchung erzielt genauere Ergebnisse wenn Sie sich weder bewegen noch sprechen.

Wie lange dauert eine Nerven Messung? ›

Anschließend misst das medizinische Personal den Abstand zwischen Stimulationsort und Ableitort aus, sodass die Nervenleitgeschwindigkeit ausgerechnet werden kann. Die Untersuchung dauert insgesamt etwa 15 bis 30 Minuten.

Was ist EP in der Neurologie? ›

Evozierte Potenziale sind Potenziale der Hirnaktivität, welche auf einen spezifischen Reiz hin entstehen und aus der allgemeinen EEG-Aktivität herausgemittelt werden können.

Wie lange dauert eine SEP Untersuchung? ›

Die Untersuchung dauert etwa 5 bis 10 Minuten.

Für die Untersuchung werden mit Haftpaste Elektroden an Ihrer Kopfhaut angebracht. Anschließend werden die zu untersuchenden Nerven mit einem elektrischen Reiz stimuliert und die Weiterleitung mit einem Computer gemessen.

Was sagt ein Befund aus? ›

→ Befund Ein „Befund“ ist das Ergebnis einer Untersuchung. Bei einer Laboruntersuchung bedeutet ein „positiver“ Befund, dass ein gesuchter Tumormarker oder Erreger vorhanden ist. Bei der körperlichen Untersuchung oder in der Bildgebung heißt ein positiver Befund, dass eine Auffälligkeit gefunden wurde.

Wann macht man ein VEP? ›

Visuell evozierte Potentiale (VEP) dienen der Beurteilung des Sehnerven und der Sehbahn und sind unter anderem hilfreich für: Diagnostik und Verlaufskontrolle (Optikusneuritis) bei Multipler Sklerose. Störungen der zentralen Sehbahn durch Tumoren oder Gefäßprobleme. Sehnervenentzündung oder -verletzung.

Für was steht AEP? ›

Beim AEP handelt es sich um eine Untersuchungsmethode zur Feststellung von Störungen der Hörbahn und des Hörnervs. Mit dem AEP soll die Verarbeitung von akustischen Signalen im Gehirn untersucht werden.

Wie funktioniert SEP? ›

Das SEP-Verfahren dient dazu Veränderungen im Bereich des Rückenmarks bzw. der dort aufsteigenden Nervenbahnen zu erkennen. Dafür wird der Nerv stimuliert und mithilfe von Elektroden die Reizweiterleitung ins Gehirn gemessen.

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Name: Francesca Jacobs Ret

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Job: Technology Architect

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Introduction: My name is Francesca Jacobs Ret, I am a innocent, super, beautiful, charming, lucky, gentle, clever person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.