100. Geburtstag des Salat-Klassikers: Welche Zutat im Originalrezept des Caesar Salad eigentlich gar nicht vorkommt - WELT (2024)

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Die Entstehungslegende dieses Welthits klingt so schräg, dass sie wahrscheinlich wahr ist: Am 4. Juli 1924, dem US-amerikanischen Unabhängigkeitstag, strömen Massen von Touristen in „Caesar’s Bar and Restaurant“ von Cesare Cardini, der sein Lokal gleich hinter der Grenze im mexikanischen Tijuana betreibt.

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Die boomende Stadt, nur 200 Kilometer südlich von Los Angeles in Baja California gelegen, unterliegt nicht der Prohibition und lockt deshalb viele Angelenos an, die hier das Alkoholverbot umgehen. Cardini, als junger Mann aus dem Städtchen Baveno am piemontesischen Ufer des Lago Maggiore zunächst in die Vereinigten Staaten eingewandert, sieht sich mit einer misslichen Situation konfrontiert. Die Vorräte der Küche sind aufgebraucht, der Ansturm an Gästen hat die Erwartungen übertroffen.

In der Not klaubt er die letzten Lebensmittel zusammen, die ihm geblieben sind: Römersalat, altes Brot, das er mit Knoblauch in Olivenöl anröstet, Parmesan, Senf, Zitronen, Worcestershiresauce und Eier. Aus letzteren fünf Zutaten mischt er mit Olivenöl in einer Holzschale mit großer Geste vor den Gästen am Tisch eine cremige Emulsion, in der er die inneren, knackig gelb-grünen Blätter des Römersalats vorsichtig wendet. Abgerundet wird der Salat mit etwas frisch geriebenem Parmesan und den gerösteten Brotscheiben. Es ist die Geburtsstunde des Caesar Salad, so jedenfalls die Legende.

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Der Salat ist ein Riesenerfolg, das „Caesar’s“ wird zum vielleicht ersten Destination-Dining-Restaurant der Welt, und bald findet er sich auch auf den Speisekarten in Hollywood. Irgendwann, so erzählt es Cardinis Tochter Rosa später, habe Cesares Bruder Alex dem Rezept dann noch die Anchovis zugefügt, die die cremige Soße in Verbindung mit dem Parmesan in eine, wie man heute sagen würde, wahre Umami-Bombe verwandelt.

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Julia Child (1912–2004), Amerikas erste Fernsehköchin, wird sich eines Tages daran erinnern, wie sie als Teenager den Caesar Salad in Tijuana ein oder zwei Jahre nach dessen Erfindung zum ersten Mal gegessen hat, natürlich von Cardini selbst am Tisch zubereitet. Mit ihrer TV-Sendung trägt sie dazu bei, das Rezept zu verbreiten. Es ist der Anfang eines Siegeszugs durch die gesamten Vereinigten Staaten und letztlich über den ganzen Globus.

Heute findet man den Salat in jedem größeren Hotel auf der Karte für den Room Service, beim Italiener, im Steak-Haus oder in den Kühltheken der Supermarktketten. Der Beliebtheit des Caesar Salads tut nicht einmal die schlechte Qualität Abbruch, mit der er meist auf den Tellern der Gäste landet. Oft schlichtweg eine Verhunzung, hat er selten den Geschmack, für den einst berühmt geworden ist. Dafür aber intensiv nach fermentiertem Fisch, metallischem Zitrussaft aus der Flasche und irgendeinem Käse, der an Parmesan erinnern soll. Ein paar Fetzen trockene Hühnerbrust – die haben im Originalrezept nichts zu suchen – und pappige Croûtons aus einer bereits seit Tagen geöffneten Großpackung vollenden das Desaster. Schade eigentlich.

Luxusvariante: mit Hummer, Avocado und Kapern

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Die Vielzahl an schlechten Versionen dieses im Grunde köstlichen Salats ist für Stefan Landwehr, der das Hotel „Chateau Royal“ in Berlin und die Restaurants der „Grill Royal“-Gruppe betreibt, ein Ansp*rn, ihn besonders gut zu servieren: Im Berliner „Grill Royal“ wird seit vielen Jahren eine luxuriöse Variante des Salats mit Hummer, Avocado und Kapern zubereitet.

Im „Chateau Royal“ hat sich Chefkoch Philipp Walter eine andere Version des Salats ausgedacht. Bei ihm werden die Mini-Salatherzen halbiert und mit einer Art grüner Mayonnaise bestrichen, die er mit Wildkräutern aus Brandenburg aufmixt. Die Croutons ersetzt er durch geröstete Brösel, die mit dem Parmesan gebacken wurden. Als Garnitur legt er ein ganzes Anchovisfilet auf das Salatherz: „Ich verwende gerne die spanischen Sardellen von der Traditionsmarke Ortiz“, sagt er. Auch beim Römersalat achtet er auf gute Qualität: „Die Nährstoffe im Boden geben einem Gemüse erst den richtigen Geschmack, das gilt auch für den Salat“.

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Ein kurzer Ausflug ins Internet fördert noch mehr Varianten des Klassikers zutage. Von Gordon Ramsay bis Thomas Keller haben sich etliche Spitzenköche mit dem Klassiker beschäftigt. Jamie Oliver bevorzugt eine Variante, die mit krossem Speck noch mehr Umami in den Salat befördert. Genau da sollte man jedoch vorsichtig sein, meint Philipp Walter: „Es geht um die Balance zwischen den knackigen Salatblättern und der Soße, die schnell mit zu viel Umami alles erschlägt“. Bei älterem Parmesan, der schon Salzkristalle habe, könne das zwar ein angenehmer Effekt sein, man müsse bei der Dosierung jedoch aufpassen.

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Ein Selbstversuch nach dem Originalrezept liefert einige interessante Erkenntnisse. Im direkten Vergleich kann es das abgepackte Bio-Salatherz aus dem Supermarkt geschmacklich nicht mit dem Römersalat aus regionalem Anbauaufnehmen, das abgepackte Fertigprodukt hat sogar eine unangenehme Bitter-Note. Auch bei den Anchovis liegen Welten dazwischen. Die Exemplare, die in Salz eingelegt in schmalen Schraubgläsern im Supermarkt vertrieben werden, haben einen beißenden, stechend scharfen Fischgeschmack, die um einiges teureren aus dem italienischen Feinkostgeschäft dagegen sind vollmundig aromatisch und liefern eine nussige Note.

Quasi der Cousin des Caesar Salad

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Beim Parmesan erübrigt sich die Frage nach der Qualität, weil gerade ohnehin nur ein Topprodukt des Herstellers Rosola di Zocca im Kühlschrank liegt, auf den auch der italienische Starkoch Massimo Bottura schwört. Ein beim Googeln aufgeschnappter Tipp entpuppt sich als wahre Geschmacksrakete: Statt den Knoblauch zu pressen und mit den Croûtons anzubraten, confiert man einige frische Knoblauchzehen in Olivenöl bei nicht zu starker Temperatur. Die in dem so aromatisierten Öl gerösteten Brotwürfel erhalten einen noch feineren Geschmack, die weichen Knoblauchzehen wiederum werden in das Dressing gemixt.

Aus Cesares Erfindung wurde übrigens ein profitables Business, in den 1930er-Jahren kaufte er ein Hotel in Tijuana, in dem der Salat bis heute serviert wird. Cesare selbst zog es später zurück nach Los Angeles, wo er mit „Cardini’s“ eine eigene Marke für Salatsoßen in Flaschen gründet, die immer noch existiert. Wer aber einmal gelernt hat, wie köstlich und einfach das Dressing nach dem Originalrezept selbst zuzubereiten ist, fasst so eine Flasche nie wieder an.

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